Obwohl das mit der Beethoven-Rezeption verbundene Gedankengut hinreichender Anlaß für ein Gedicht von der Art der "Bringer Beethovens" hätte sein können, deuten Reiner Kunzes vielfältige Äußerungen zu seiner Dichtung -nicht zuletzt aber seine Arbeiten selbst- darauf hin, daß der Sinngehalt des Gedichtes auf einer allgemeineren Ebene aufzusuchen ist. Der thematische Vorwurf, der dem in musikgeschichtlichen Zusammenhängen Bewanderten besonders entgegenkommt, würde für viele Leser unverständlich bleiben, denen die Wirkungsgeschichte der großen Beethoven-Sinfonien, -insbesondere aber der 5. Sinfonie-, unbekannt ist. Die "Bringer Beethovens" entstanden in zeitlicher Nähe zum Bau der Berliner Mauer. Der Gedanke, hier einen möglichen Anlaß für das Gedicht zu sehen, liegt deswegen nahe, weil die Errichtung des "demokratischen Schutzwalls" nicht ohne die bestätigende Rundfunkübertragung einer Beethoven-Sinfonie verlief, (womit nur ein weiteres Glied inder Kette von "Beethoven-Benutzungen" durch Staatswesen aller Art und in aller Welt geliefert wurde.) Reiner Kunze hat diesen Zusammenhang nicht bestätigt. Er schreibt: Diese Aussage bedarf keiner weiteren Interpretation. Statt dessen sei ein anderer Autor zitiert, der Ähnliches in anderem Kontext aus
Die Freiheit kann nicht identifiziert werden mit dem Guten, mit der Wahrheit, mit der Vollkommenheit.
N.Berdjajev, Die Weltanschauung Dostojewskijs [22]
__________ [21] Brief an den Verf. vom 14. 3. 1978 (vgl. Anhang II) [22] München 1925, 54; zit. bei: P. Watzlawick et al., Menschliche Kommunikation, Bern 4/1974, 184f, Anm.8 |