- 84 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Dv-Akkord nach a-moll. Das folgende »Trallali«, das eigentlich eine fröhliche Stimmung unterstreichen soll, wird durch den Ton es verfremdet. Die unvorhersehbare Rückmodulation nach d-Moll wird in Takt 17 sogleich wieder in einen unerwarteten D-Dur-Septakkord verwandelt, der die Funktion hat, zur zweiten Strophe in g-Moll hinzuleiten. Die Singstimme beginnt melodisch identisch wie die erste Strophe um eine Quinte tiefer transponiert, mit dem Auftakt zu Takt 22 wird hochoktaviert, um nicht aus dem Stimmumfang des Tenors herauszugelangen. Die Akkorde in den Trompeten bleiben konstant auf der Tonika g-Moll, während der Gesang des Soldaten sich mehrfach zur Dominante wendet: auch hier nimmt der Marsch keine Rücksicht auf den Soldaten. Die Streicherbegleitung ab Takt 18 ist von der Figur her wie in der ersten Strophe, jedoch nun nicht mehr – »richtig« – quartauftaktig mit dem Grundton von Dominante und Tonika, sondern – »falsch« – quintauftaktig mit den Grundtönen von Tonika und Subdominante, also eine weitere Verkehrung des Marsches. Erst in Takt 21 bei c-Moll wird es wieder »richtig«. Die Rückführung erfolgt über einen Dv-Akkord nach D-Dur. Das »Trallali« ist melodisch fast identisch mit dem »Trallali« der ersten Strophe, harmonisch aber zum Teil anders, die Kadenz erfolgt nach d-Moll, woran sich die drei Takte des Orchestervorspiels anschließen, im ppp morendo verhallend. Hierauf folgen mit Auftakt zu Takt 30 zwei Takte »echter« Marschmusik im ff. Daß Mahler genau an dieser Stelle die Parademarschmusik intendiert, wird durch ein Detail der Instrumentation deutlich: im Schlagwerk sind unter anderem ein »freies« Becken und ein weiteres »Becken an der gr. Trommel befestigt, von Einem geschlagen«, wie es in der Partitur heißt, vorgesehen. Dieses zweite Becken soll nur in diesen beiden Takten zum Einsatz kommen, wie Mahlers Spielanweisung fordert. Ein solches Becken ist ebenfalls in Der Schildwache Nachtlied gefordert, dort heißt es: »nach gemeiner Art an der großen Trommel befestigt«. In dieser Weise wurde es in Militärkapellen benutzt, und so soll es hier fungieren, um sogar optisch das Typische der Militärkapelle zu signalisieren. Eine Wiener Karikatur von 1900 zeigt Mahler auf einer solchen Trommel sitzend.

Durch die unmittelbar vorher komponierte »falsche« Marschmusik in den Takten 27 bis 29 erscheint der Unterschied zur nachfolgenden »echten« Marschmusik äußerst deutlich. Leonard Bernstein hat diesen klanglichen Gegensatz in seiner Live-Aufnahme von 1987 besonders stark herausgearbeitet. Im Text ist an dieser Stelle die Rede davon, daß der getroffene Soldat in sein Quartier getragen werden möchte. Es läßt sich interpretieren, daß hier nun die »Quartiersmusik« ertönt, die Klänge von Exerzierplatz und Parade, die sich von der Wirklichkeit auf dem Schlachtfeld in extremer Weise unterscheiden. Schmierer erkennt in den »Quartiersmusik-Takten« eine Variante der »Trallali«-Musik54

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Schmierer, S. 155.
; letztere bezeichnet sie, wie auch andere Autoren, als Refrain. Sicher gibt es gewisse Nähen zwischen beiden Figuren: das tonartfremde es, der Zielton d und die Töne g-f-es-d auf den ersten vier Zählzeiten der Figur. Aber es ist denkbar, daß Mahler eine größere Übereinstimmung hergestellt hätte, wäre es ihm auf einen wahrnehmbaren Bezug angekommen. Inhaltlich wäre ein Zusammenhang durchaus zu verstehen, denn das »Trallali« meint ebenso das Unkritisch-Positive der Militärsphäre wie die Parademusik. Die Achtelschläge der tieferen Streicher auf jeder Zählzeit werden für die dritte Strophe übernommen, wodurch

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