- 77 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Summa vitae hin, worin für Mahler aber ohnehin kein grundlegender Unterschied besteht (vgl. Kap. III.); auch hier wird das autobiographische Moment von Mahlers Liedern wieder deutlich. Symbolisch dürfte sich Mahler somit hier als musikalisch Kämpfenden, als Trommler sehen, der im Kampfe fällt, seine Freunde vergeblich um Hilfe bittet, aus eigenem Antrieb aufsteht, den Sieg erringt und noch nach dem Tode deutlich sichtbar bleibt. Diese Symbolik ist schon der Textvorlage zu entnehmen und würde somit Mahlers Zugriff darauf, der schon lange entschieden war, begründen. Aber, wie es im Brief an Nina Spiegler heißt, sind es nicht die unscheinbaren Umrisse des Gedichtes, sondern Mahlers Vertonung, die den Reichtum und die Tiefe des Werkes ausmacht. In den Quellen ist zur Charakterisierung des Werkes weder von Humor noch von Realistik des Krieges die Rede, sondern von schauerlicher Mystik. Mystik dürfte hier nicht im streng theologischen Sinne als Vereinigung von Gott und Mensch, sondern allgemeiner als geheimnisvolle Atmosphäre gemeint sein. Der Begriff ›schauerlich‹ ist von Mahler jedoch, nach Natalie Bauer-Lechner, durchaus mit einer besonderen Vorstellung von Humor in Verbindung gebracht worden. Er charakterisiert das Scherzo seiner III. Symphonie mit den Worten: »Aber es steckt ein so schauerlicher panischer Humor darin, daß einen mehr das Entsetzen als das Lachen dabei überkommt.«37
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Vgl. Mirjam Schadendorf, Humor als Formkonzept in der Musik Gustav Mahlers, Stuttgart-Weimar 1995, S. 107f.
In Mahlers Zusammenfassung des Textes ist auch nicht vom Traum oder von der Imagination die Rede, in dem der Trommler sein Aufstehen und Siegen erlebt, wie es bei Vill38
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Vill, S. 100.
und Schmierer39
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Schmierer, S. 154 und 158.
der Fall ist. Für Mahler spielt sich dieses in der Realität ab.

Der Titel Revelge ist die phonologische Übertragung von »Réveille« ins Deutsche, was »Tagwache« bedeutet. Dies ist die Bezeichnung für ein akustisches Signal der österreichischen Militärmusik, das als Trommel- und als Horn- bzw. Trompetensignal auftritt. Beide Formen spielen in Mahlers Lied keine auffällige Rolle.40

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Georges Kastner, Manuel général de musique militaire, Paris 1848, S. 46f., übermittelt die Österreichischen Militärsignale von 1846; Exercir-Reglement für die kaiserlich-königlichen Fußtruppen, I. Teil, Wien 1874, S. 228 und 246. Das Trommelsignal ist in beiden Publikationen unterschiedlich, das Horn- bzw. Trompetensignal identisch. Für die Zusendung von Auszügen aus diesen Werken bedanke ich mich beim Österreichischen Staatsarchiv.


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