- 74 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Im unveröffentlichten Teil ihrer Erinnerungen, zitiert im Kritischen Bericht von R. Hilmar-Voit zur Kritischen Gesamtausgabe der Orchesterfassungen der Wunderhorn-Lieder; = Gustav Mahler, Sämtliche Werke, Kritische Gesamtausgabe Bd. XIV, Teilband 2), Wien 1998, S. 345.
Darüber hinaus benutzte Mahler diesen Begriff nicht, um einen möglichen humorvollen Inhalt des Liedes anzudeuten, sondern als Synonym von »Ballade« im Loeweschen Sinn. Dieser Hinweis findet sich ebenfalls in den Erinnerungen von Bauer-Lechner.26
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Bauer-Lechner, Erinnerungen, S. 136.
In der bislang ausführlichsten Analyse von Schmierer finden sich Hinweise auf die musikalische Umsetzung der Realistik, Drastik und Tragik des Textes. Von Ironie und Humor ist keine Rede. Hilmar-Voit beharrt in ihrem Vorwort zu den Wunderhorn-Klavierfassungen der Gesamtausgabe auf dem humorvollen Gehalt von Revelge, weist aber andererseits auf die Synonymität der Begriffe »Humoreske« und »Ballade« hin.27
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Gustav Mahler, Sämtliche Werke, Kritische Gesamtausgabe, Band XIII, Teilband 2b: Fünfzehn Lieder, Humoresken und Balladen aus »Des Knaben Wunderhorn«, vorgelegt von R. Hilmar-Voit und Th. Hampson, Wien 1993, S. XV.

Die Komposition scheint sich insgesamt einer eindeutigen Interpretation zu entziehen, was auch durchaus Mahlers Zielrichtung gewesen zu sein scheint. Natalie Bauer-Lechner übermittelt Mahlers Ausspruch: »Was im Kunstwerk wirkt, wird vor allem immer das Geheimnsivolle, Inkommensurable sein. Übersiehst du ein Werk ganz, so hat es seinen Zauber, seine Anziehungskraft verloren.«28

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Bauer-Lechner, Erinnerungen, S. 160.
Schon die achtstrophige Textvorlage an sich besitzt eine gewisse Offenheit. In diese Richtung weist der oft zitierte, aber selten kommentierte Ausspruch Goethes zu dem Wunderhorn-Text: »Unschätzbar für den, dessen Phantasie folgen kann.«29
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Zit. nach: Des Knaben Wunderhorn, Studienausgabe in neun Bänden, hg. v. Heinz Rölleke, Stuttgart 1979, Bd. 4, S. 170.

In der ersten Strophe berichtet ein Soldat über das morgentliche Marschierenmüssen durch eine Stadt, wobei sein Schätzel herabsieht. In der zweiten Strophe wendet sich derselbe Soldat an seinen »Bruder«, er sei von einer Kugel getroffen. Er bittet jenen Bruder, ihn in sein Quartier zu bringen. In der dritten Strophe antwortet der Bruder, er könne ihn nicht tragen, die Feinde hätten sie geschlagen, er müsse marschieren bis in den Tod. In der vierten Strophe beklagt sich der erste Soldat, die Kameraden gingen an ihm vorüber, als wäre es mit ihm schon vorbei. Dann sagt er: »Ihr Lumpenfeind seid da, ihr tretet mir zu nah.« In der fünften Strophe spricht der Soldat zu sich selbst: Er müsse wohl »seine Trommel rühren«, sonst werde er »sich ganz verlieren«; hier wird seine Funktion als Tambour also deutlich. Dann sieht er »die Brüder dick gesät, sie liegen wie gemäht«. Die Strophen sechs bis acht sind nicht mehr aus der Ich-Perspektive, sondern aus einer neutralen Erzähler-Position heraus gestaltet. In der sechsten Strophe wird berichtet, daß der Soldat seine Trommel schlage, seine stillen, also toten Brüder wecke, die ihren Feind schlagen. Die letzte Zeile heißt: »Ein Schrecken schlägt den Feind.« Die siebte Strophe berichtet weiter vom Schlagen der Trommel. Die Soldaten seien schon wieder vorm Nachtquartier und zögen ins Gäßlein hell hinaus, »vor Schätzels


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