- 65 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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  • Die Übermittlung des inneren Programms erfolgt mit rein musikalischen Mitteln, nicht mit Anleihen aus anderen Künsten.
  • Musikalisch-technische Erläuterungen zum Aufbau eines Werkes tragen allein nur wenig zu dessen Verständnis bei.

Friedhelm Krummacher unternahm einen ähnlichen Versuch, mit Mahlers Aussagen seinen ästhetischen Standort auszumachen, wobei er sich jedoch nicht streng auf Mahlers schriftlich dokumentierte Quellen beschränkte, sondern Erinnerungsliteratur und Briefe anderer mit einbezog.33

33
Friedhelm Krummacher, Gustav Mahlers III. Symphonie. Welt im Widerbild, Kassel 1991, Abschnitt »Programmusik in Mahlers Sicht«, S. 12–15.
Sein Ergebnis – die Mittelstellung Mahlers zwischen absoluter Musik und Programmusik – fällt nicht wesentlich anders aus als hier herausgearbeitet. Krummacher gibt aber der Bedeutung der Formerfassung einen etwas höheren Stellenwert. Das liegt zum einen daran, daß er den oben zitierten Briefabschnitt Bruno Walters als authentische Quelle ansieht, was hier bezweifelt wurde. Wenn Bruno Walters Aussage als authentische Quelle angesehen wird, dann darf genauso Richard Specht darauf Anspruch erheben. Bei ihm heißt es im Gegensatz zu Walter: »Weil sie [Strauss und Mahler] eben nicht ›tönend bewegte Formen‹ schufen, nicht musikalische Arabesken, sondern musikalische Symbole; weil sie das Ohr nicht als endgültigen Empfänger, sondern als gehorsamen Vermittler all des Inhaltes betrachteten, den ihre Seele einer anderen zu schenken hatte. Nur daß [...] der eine vom Realen, der andere vom Metaphysischen ausging.«34
34
Specht, Mahler (1913), S. 33.

Hanslick wird hier ganz offensichtlich als Antipode zu Mahler gesehen. Es ist hier nochmals auf Mahlers Unterscheidung von Programm und Programmbuch hinzuweisen:35

35
Bei Krummacher, S. 14, erscheint dieser Unterschied etwas unklar.
Der Brief an Max Marschalk vom 26.3.189636
36
Mahler, Briefe, S. 149f. (nicht 194f.)
bezieht sich auf das Programm, der Brief an Otto Lessmann vom 15.5.189437
37
Mahler, Briefe, S. 111f.
dagegen auf ein Programmbuch. Ein Programm ist für Mahler die – vom Komponisten stammende – verbale Beschreibung des Inhalts, der Handlung oder des auszudrückenden Gedankens, wie er es für die ersten vier seiner Symphonien in verschiedener Weise verfaßt hat. Ein Programmbuch enthält dagegen die – nicht vom Komponisten stammende – Beschreibung des formalen Ablaufs der Symphonie, der Benennung der konstitutiven Themen mit ihrer Entwicklung. Synonyme Begriffe, die Mahler dafür verwendete, sind »Führer« und »Analyse«, wie oben schon ausgeführt. Indem Mahler diese Art von Erläuterungsliteratur ablehnt, wendet er sich hier nicht gegen Programme zu seiner Musik, sondern dezidiert gegen solche formanalytischen Verlaufsdarstellungen. Diese helfen nach Mahlers unzweifelhaften Worten dem Verständnis seiner Musik allein nur wenig.

Peter Revers ist darin zuzustimmen, daß die Quellenlage zur Ermittlung von Mahlers ästhetischer Position zum Problem »Formanalyse« insgesamt unbefriedigend ist und somit eine gewisse Zurückhaltung vor definitiven Schlußfolgerungen


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