- 359 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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»Sechsten« vor sechs Jahren durch das Symphonie-Orchester unter Ludwig Rottenberg der Fall war – aus dem Charakter dieses schwer zugänglichen, »tragischen« Werkes. [F26/B]
Die sechste Sinfonie von Gustav Mahler bedeutet für Ausführende und Hörer eine Anstrengung. [. . . ] das Auf- und Nieder beachtenswerter und auch alltäglicher Einfälle und Melodiewendungen, das beim Publikum immer wieder Eindruck macht [F26/C]

Prof. Dr. Raabe wagte es, die am schwersten zugängliche der neuen Symphonien Mahlers, die »tragische« Sechste, zu bringen. Es wäre notwendig, die Kraft dieser Symphonie in wiederholten Aufführungen auf die größere Musikgemeinde dauernd zu erproben. Vielleicht würden dann manche von der in Bausch und Bogen verdammenden Beurteilung Mahlers abzubringen sein, denn er bringt doch auch manches Schöne. [A26/A]

Gustav Mahler ist noch weit davon entfernt, im offiziellen Musikleben die ihm gebührende Beachtung zu finden. Wir brauchen das nicht eigentlich zu bedauern. Zum Symphoniker des Konzertsaales ist der Meister denkbar ungeeignet. [. . . ] An die Aufnahmefähigkeit und an die Aufnahmebereitschaft der Zuhörer stellt das Werk starke Anforderungen; namentlich die weniger starken Teile wie etwa das Seitenthema des ersten Satzes oder das primitiv-mittelmäßige Andante beschworen eine starke Ermüdung herauf. [A26/B]

Sie wird selten gespielt, Mahlers »Sechste«, die »Tragische«. Leider! sagen die einen, Gottseidank! die anderen. Die Wahrheit wird in der Mitte liegen. [. . . ] Was tun die hunderte im Konzertsaal angesichts dieser Dämonie? Muß nicht die Teilnahmslosigkeit der Massen die Begleiterin der »Sechsten« sein? Den beiden ersten Sätzen folgen sie noch, die Marionettenbilder des Scherzo sind ihnen noch faßlich, aber wenn der Riese kommt, der sie zertrampelt, oder wenn das Finale, diese apokalyptische Sinfonie für sich, zum Klang wird zerreißt der Kontakt mit dem Menschsein. Vielleicht bedarf auch gerade das durch eine Stileinheit gebundene Triptychon Mahlers, die auf dem Bach-Erleben fußende Trias: Fünfte, Sechste, Siebente, eine besonders liebevolle Vorbereitung von seiten des Hörers. Ist sie aber vorhanden, dann wird zumindest der letzte Satz [. . . ] zu einem kosmischen Erlebnis, das auf die Knie zwingt. [. . . ] Die Masse mag nicht begriffen haben, worum Abendroth mit seinen getreuen gerungen hat, man darf ja auch bekanntlich keine Perlen vor die Masse werfen [K27/A]

Vielleicht hat die Sechste so lange warten müssen, weil ihre Vorgängerin die Fünfte, als erste in der mittleren Gruppe Mahlerschen Schaffens in Köln zur Welt gekommen war und weil gerade die »absoluten« Orchestersinfonien ohne offenes Programm, Chor oder Singstimmen nur schwer durchdringen konnten, so daß selbst Otto Klemperer als begeisterter Mahler-Apostel nicht lange genug in Köln wirkte, um als letzte die Sechste aufführen zu können. Unbegreiflich, wenn man nicht musikpolitische Gründe für die Widerstände gegen Mahler heranziehen will: Dieses Verkennen gerade der mittlern, angeblich schwer eingänglichen Sinfonien [K27/C]

Immer noch steht das Publikum Mahlers letzten Sinfonien mit wenig Verständnis gegenüber. [W30a/A]

verdient ebenso Anerkennung wie das Sich-bekennen zu einem nur selten gespielten Werk. Allerdings – das Warum für das sporadische Aufscheinen in den symphonischen Konzerten bedarf nicht allzu langen Nachforschens: in einer Zeit des Probenknauserns ist die Sechste Mahlers häufig fehl am Ort. [W30a/B]

Um das Problematische dieses Sinfoniestils kümmern sich gerade die Besucher volkstümlicher Konzerte am allerwenigsten. Das nie gestillte Verlangen des Tonsetzers nach immer neuen und immer absonderlicheren Klängen reizt das unbefangene Ohr. Es spürt das Grandiose der Effekte und spürt wohl auch etwas von dem erschütternden Ernst des künstlerischen Willens, der Effekt an Effekt reiht und doch Wirkung auf Wirkung türmen möchte. [D30/A]

großartigen, rhythmisch und dynamisch effektvoll gegliederten Klangwirkungen, die dem Hörer imponieren mußten. [D30/C]

Die Generation ist längst da, die Mahlers Symphonien 1 bis 5 »in sich aufgenommen hat«. Aber die Rätsel sind geblieben. Wird die Zukunft diese Rätsel enträtseln? [W33/A]

die unzugänglichste unter allen seinen Symphonien [W33/B]

Geniale Musiker müssen, solange sie leben warten. Warten sie nicht, werden sie ausgezischt. Sterben sie, müssen sie (wie das Beispiel der Mahlerschen »Sechsten« zeigt) weiter warten.

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