- 327 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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ein überlanges, titanenhaft aufgetürmtes Finale [. . . ] ganz unverhohlen aber im Finale. Das ist im Grunde Bühnenmusik, textlose Oper. [. . . ] endlich der polyphone Hexensabbath des Finales. [. . . ] Das Finale hat etwas Monströses. Wird diese Art, für Orchester zu schreiben, Sitte, dann ist es Spielern wie Hörern bald um den letzten Rest von Feinfühligkeit und Delikatesse geschehen, und wir steuern einer Epoche brutaler Massenwirkungen entgegen. [E06/J]

Das Finale mit seiner Einleitung zeigt kolossale Dimensionen [E06/K]

Die Tonmalerei durch Glocken, Herdenglocken etc. muß sich doch auf einen bestimmten Untergrund stützen, da man an einer Stelle sogar deutlich das Quaken der Frösche hört; daß ein solcher nicht angegeben ist, gereicht der Tonmalerei nicht zum Vorteil. Mahler wollte vermutlich hier, wie im »Andante« oder »Scherzo« eine Art ländlicher Tongemälde zeichnen und dies in einer Art freien Phantasie. [E06/L]

Das Finale, in gigantischen Dimensionen sich ergehend, gigantische Ausdrucksmittel aufbietend, wirkt mehr erdrückend als erhebend, mehr verblüffend als befriedigend. [E06/M]

das Leid, das sich (im letzten Satz) in herbster Gestalt offenbart, sich als dauernd, als ungemindert festsetzt. Insofern dieser letzte Satz sich von allem, was tröstlich und erquicklich ist, geflissentlich abwendet und ins Gebiet des Phantastischen abzweigt, darf er als eine Vision und als eine wilde Ausartung der im ersten Satz angeschlagenen Stimmungen bezeichnet werden. Uebrigens gibt er [Mahler] dem Verständnis, ich meine dem genau ergründenden und nicht oberflächlich hinhörenden, nur hier zu raten auf [E06/P]

Die elementaren Ausbrüche des Finalsatzes versetzen unmittelbar in das größte Hammerwerk des Kanonenkönigs. Es wäre nicht unwahrscheinlich, daß Mahlers neues Werk als Krupp-Symphonie konzipiert worden wäre und als solche in der Musikgeschichte weiterleben würde, wenn diese Annahme nicht durch manches andere hinfällig würde. [E06/Q]

das Werk, das namentlich in dem monströsen Finale an grellen Instrumentationseffekten Unglaubliches bietet [E06/R]

Aeußerlich ungemein pompös, gibt sich das in technischer Hinsicht hoch bewundernswerte Finale, aber geradezu peinigend empfindet man seine prätentiöse Aufgeblasenheit, seine lärmende Nichtigkeit und das klägliche Scheitern eines krampfhaft Tonmassen auf Tonmassen türmenden ohnmächtigen Strebens nach Größe. [E06/S]

In diesem Grobschmieds-Stil ist [. . . ] vor allem das gigantenhaft-ungeschlachte Finale geraten, das ärgste Lärmstück, das ich noch gehört zu haben mich entsinnen kann, und dessen stellenweise vielleicht mit Kunst aufgebaute Organisierung durch das völlig maßlose Blechwerk zur Unkenntlichkeit entstellt wird. Es ist physiologisch unmöglich, aus dieser Häufung anhaltender schreiender Effekte noch etwas wie musikalische Linien oder Formen herauszuhören [E06/U]

so herrscht in den Ecksätzen der VI. eine heroische Melodik im kriegerischen Marschrhythmus vor. [. . . ] Da türmen und reihen sich die Themen über- und nebeneinander wie von Riesenfäusten geschaffen, zerspalten und neugefügt. In der Orchesterwerkstätte Mahlers pustet und faucht, lärmt und tobt es. Die phantastischesten Klanggebilde heulen wie die wilde Jagd an unserem Ohr vorüber. Bezeichnend ist dafür, dass in der Partitur Anmerkungen stehen »kein Druckfehler.« Natürlich finden sich aber auch in dem Finale schöne, fesselnde Momente: Der Bläserchoral, die gesanglichen Variationen desselben. Bis sie Gefallen finden, wird noch manches Trommelfell in Aufruhr versetzt werden. [E06/V]

Und er [der 4. Satz] begann, wiederum in allen Farben schillernd, anfangs geheimnisvoll raunend, um sich zum Allegro energico durchzuringen. Von da ab strebte die Entwickelung rastlos vorwärts; die erste Durchführung nahm ihren Anfang, durch ein Harfenglissando gekennzeichnet, alles arbeitete auf eine gewaltige Steigerung hin, da sauste plötzlich zum Schlage des ganzen Orchesters ein Hammerschlag dröhnend nieder, mit »roher Kraft« stürmte das wilderregte Orchester dahin, da – wiederum derselbe ominöse, niedersausende und nervenaufrüttelnde Hammerschlag, der alle etwa Geistesabwesende energisch zur Sache zurückrief. Allmählich beruhigten sich jedoch die aufgewühlten Tonwogen, mildere Regungen hielten Einzug in die Brust des Tondichters und mit stiller Resignation – vielleicht über die Vergänglichkeit alles Irdischen – verabschiedete er sich von seinem Publikum [E06/W]


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