- 313 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Hierdurch gewann man auch Zeit, aufs Einzelne näher einzugehen, und stieß dabei auf zum mindesten interessante Dinge. [. . . ] Und im Grotesken ist Mahlers Musik am interessantesten, jedenfalls eindringlicher, als wo sie die gefühlsmäßige Seite erklingen läßt. Trotz aller absichtlich erstrebten Einfachheit (hierin liegt schon die Kritik) fehlt seiner Lyrik das Innige, Warme, Rührende. Manche Reize enthüllen sich, auch manche Schönheit klingt in uns nach, eigenartige Wohllaute umschmeicheln oft unser Ohr, aber ein Tränlein hat sich bei dieser Musik wohl noch nie aus einem Auge gestohlen. [E06/e]

Es ist ja eine immerhin zu bewundernde Arbeit, die er wieder geschaffen hat. [B06/F]

Interessant und lehrreich war es in mehr als einer Beziehung, das Werk zu hören. [. . . ] denn er hat immerhin ein großes Stück kunstreicher Arbeit geleistet. [B06/G]

Negative Bilanz


Wer jedoch eine große musikalische Ausbeute von diesem im höchsten Maße anspruchsvollen Werke erwartet, der wird bitter, sehr bitter enttäuscht sein. Wenn es eine Genialität des Raffinements gibt, dann gehört Mahlers Sinfonie ohne Frage zu den allergenialsten Schöpfungen. Glücklicherweise arbeitet aber das wahre Genie mit anderen Mitteln, als Mahler es hier tut. [E06/F]

Alles in allem ist die Sinfonie ein höchst geistreiches, aber musikalisch in der Hauptsache unerquickliches Werk, ein Zerrbild jedes gesund musikalischen Empfindens. Mit Mahler auf diesem Wege fortzuschreiten, setzt eher alles, als vernünftigen fortschrittlichen Sinn voraus. Vorläufig ist uns die Sinfonie mit dem Paukenschlage noch lieber als die mit den beiden Hammerschlägen. [E06/F]

Etwas Großes, Epochemachendes kann der unbeeinflußte Kunstfreund in dieser letzten Leistung des unermüdlichen, unheimlich produktiven Wiener Hofoperndirektors aber nicht sehen. [E06/G]

Und doch, trotz alledem ist Mahler ein musikalischen Phänomen. Diese Begabung, die ich charakterisieren, nicht verkleinern wollte, nötigt mir dieselbe Achtung ab wie die Intelligenz und die Energie des Mannes, mit der er sich durchgesetzt hat. Man kann es sogar begreifen, wenn jüngere Tonsetzer zu ihm aufblicken als zu einem Führer in die Zukunft. Seine Musik begeistert oder ärgert, aber sie langweilt nicht, und selbst der Andersempfindende vermag sich dem Eindruck des Ungewöhnlichen nicht zu entziehen. [E06/J]

Und Mahler kam, dirigierte und siegte. Selbst die eingefleischtesten Skeptiker mußten vor dem großen Könner ehrerbietigst den Hut lüften, und ästhetische Bedenken gegenüber dessen Werk verloren an Beweiskraft angesichts des Dargebotenen, des »Erlebten«. [E06/K]

Es ist nichts neues, daß ernste, schwerwiegende Bedenken, die die Kritik nachträglich geltend macht, in grellem Widerspruch zu dem äußeren Erfolg eines Werkes stehen. [. . . ] Die Mahlersche Symphonie hat Beifallsstürme ausgelöst – und nicht Einer von den Vielen, die ich unmittelbar darnach gesprochen, hat aus dem gründlichen Mißbehagen, das ihm diese Musik verursacht, ein Hehl gemacht. [. . . ] daß die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Musikvereins im letzten Jahre nichts von Bedeutsamkeit geschaffen haben [. . . ]. Auch Mahler nicht. [E06/M]

Als vor vier Jahren die Tonkünstlerversammlung in Krefeld tagte, mußten selbst die, denen die Komponistenpersönlichkeit Gustav Mahlers durchaus antipathisch ist, zugeben, daß die Aufführung von dessen 3. Symphonie zum mindesten äußerlich den Höhepunkt des ganzen Festes bedeutete. Ein gleiches von der heurigen Uraufführung der 6. in Essen behaupten zu wollen, dürfte auch dem enragiertesten Mahlerianer nicht einfallen. [E06/S]

Der künstlerische Gewinn der ersten Tage ist nicht eben bedeutend [. . . ] Bis daher fehlte die »Sensation«; man dachte, Mahlers mit großer Spannung erwartete VI. Symphonie würde sie am Schlusse der Tagung noch bringen. Aber sie hat eine starke Enttäuschung gebracht. [E06/T]

Soviel scheint sicher zu sein, daß diese [. . . ] »Symphonie mit den zwei Hammerschlägen« in irgend einem musikalischen Raritätenkabinett von späteren Generationen ihren Platz angewiesen erhält. [. . . ] Jedermann weiss, dass er [Mahler] einer unserer bedeutendsten Orchestertechniker, ein Kolorist ersten Ranges ist, der die modernen Ausdrucksmittel mit staunenswertem Raffinement behandelt, dass aber der innere Gehalt seiner Produktion in durchaus keinem Verhältnis zu all diesem riesigen Aufwand steht. Wer davon jedoch noch nicht überzeugt sein sollte, der höre sich die 6. Symphonie mit ihrem brutalen Heidenlärm an und er wird, falls er noch als einfacher

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