- 30 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Anton Krisper einen Besuch in Bayreuth vor59
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Mahler, Briefe, S. 15.
, und für 1883 sind sowohl seine Erschütterung über den Tod des Bayreuther Meisters am 13. Februar 188360
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Berichtet von Jacques Manheit, vgl. Blaukopf, Dokumente, S. 165.
als auch seine tiefe Ergriffenheit nach dem Erlebnis einer Parsifal-Aufführung im Juli des Jahres61
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Brief an Friedrich Löhr, Mahler, Briefe, S. 24.
überliefert. Er erfuhr den Komponisten durch die Bekanntschaft mit dessen Schrift Religion und Kunst auch als einen Kritiker des modernen Staates, insbesondere seiner Kriegsführung und Kriegsvorbereitung.

Noch ein anderer Gedankengang weist die Brücke von Wagners Religion und Kunst zu Mahler, in dem Wagner von der eigentlichen Erlösung von allen süchtigen Ausgeburten des sich selbst zerfleischenden Willens, wie sie uns die Geschichte der Menschheit vorführe, spricht. Dieser werden wir, so Wagner, teilhaftig in einer geweihten Stunde, in der nur die Klage der Natur uns rein und friedensehnsüchtig ertönt. Das vollziehe die heilige Musik, die tönende Offenbarung aus der erlösenden Traumwelt reinster Erkenntnis durch Aufnahme einer der vier letzten der Beethoven’schen Symphonien.62

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Wagner, ebd. S. 249f.
Bei Mahler bildet sowohl die »reine Klage der Natur« als auch die letztliche Erlösung durch Musik wesentliche Bestandteile der Dramaturgie in den Symphonien. Eine wie auch immer geartete Wendung zum Positiven, die man als »Erlösung« ansprechen kann, erfüllen letztlich alle Symphonien – mit Ausnahme der Sechsten.

Die Gruppierung um Pernerstorfer veranstaltete am 5. März 1883 zum Tode Richard Wagners eine monumentale Gedenkfeier, die wiederum entschieden mit deutschnationalen und pangermanistischen Kundgebungen verbunden war. Vor viertausend Zuschauern im Angesicht einer riesenhaften deutschen Fahne wurden in mehreren Reden, unter anderem gehalten von Pernerstorfer, Hermann Bahr und dem späteren Antisemiten Georg von Schönerer, Deutschland und sein Kaiser gepriesen, »Es lebe Bismarck« gerufen und Die Wacht am Rhein gesungen. Die Polizei schritt zunächst ein und löst dann die Versammlung auf.63

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Über diese Veranstaltung berichtet de La Grange ohne Angabe von Quellen (La Grange I, S. 147f).
Diese deutschnationale Kundgebung stand im Widerspruch zu Wagners Ausführungen in Religion und Kunst, die eine deutlich kritische Haltung zum preußischen Staat enthalten. Mahlers Anwesenheit bei dieser Veranstaltung ist sehr unwahrscheinlich, denn er hatte sein Engagement in Olmütz zu erfüllen, wobei eine Tätigkeit am gleichen Abend jedoch nicht nachweisbar ist.

Es fragt sich, in welchem Maße Mahlers um 1880 erfahrene Eindrücke für sein weiteres Leben bestimmend wurden. Für seine Anhängerschaft zum Vegetarismus gibt es noch Zeugnisse bis 1883, während er in seiner Budapester Zeit (1888–1891) von dieser Ernährungsweise abgekehrt zu sein scheint64

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Blaukopf, Dokumente, S. 166f.
. Dem Sozialismus stand er auch weiter nahe. Sein erstes Feriendomizil in Steinbach am Attersee, das er von 1893 bis 1896 besuchte, wurde unter anderem deswegen ausgesucht, weil Mahlers Freunde, die führenden Wiener Sozialisten Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer, in dem nahegelegenen Ort Nußdorf ihre Ferien verbrachten. Dieses Zeugnis geht

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