- 269 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (268)Nächste Seite (270) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

zu erwecken vermag, durch eine schrille Dissonanz zerstört, du lieber Apoll, das macht doch noch lange nicht den Kern des künstlerischen Schaffens. [. . . ] bildet auch diese neue Sinfonie eine Abwandlung des Themas: Erlösungssehnsucht, ein Titel, der bei Mahler zu ergänzen ist: »durch die Zuflucht zur Natur«, und der diesmal mit dem Vorwort: »vergebliche« zu ergänzen ist. [E06/f]
ein Respekt gebietendes Monstrum [. . . ] diese Kolossal-Sinfonie [. . . ] Mahler hat manches von der grotesken bizarren Art eines Breughel, von der sonderbare Wege wandelnden Phantasie eines E.T.A. Hoffmann [. . . ] diese wahrhaft satanischen Sinfonie [B06/A]

Aber selbst die tonsetzerischen Experimente, die der Autor mit einer Anzahl banaler Themen unter Zuhilfenahme eines Riesenorchesters ausführt, verlieren gar bald an Interesse, weil die schreienden Effekte sich zu sehr häufen, weil alles ins Maßlose geht. [B06/B]

Daß das Werk sehr geräuschvoll werden mußte, konnte man aus der Bemerkung zum ersten Satz »Heftig aber markig« zum ersten Satz schließen [B06/D]

die Celesta, ein mit Stahlplatten statt der Saiten bespanntes kleines Klavier, das freilich in dem tosenden Lärm der übrigen Instrumente ebenso wenig zu hören ist, wie die mehrfach besetzten Harfen [B06/E]

diese gewaltige Komposition [B06/F]

das ausgedehnte und schwierige Werk [. . . ] läßt mich das Ganze im Innersten kalt. Diese Musik kommt zu sehr aus der Berechnung, um sich nicht auch an den Verstand zu wenden und löst eine reine ästhetische Befriedigung nicht aus. [. . . ] Selbst die Schroffheiten und maßlosen Uebertreibungen würde man übergehen können, wenn Mahler es verstände, uns zu erwärmen und von der Notwendigkeit seines Schaffens zu überzeugen. [B06/H]

ein Werk von monumentaler Größe [. . . ] Wie immer jedoch ließ die Musik Mahlers im innersten kalt. Sie kommt zu sehr aus der Berechnung, um sich nicht auch an den Verstand zu wenden [B06/K]

Wenn je ein Werk hypermoderner Eingebungen unentwirrbare Rätsel aufgibt, so ist es wohl die VI. Symphonie von Gustav Mahler [. . . ] Alles ist möglich, nichts für die Zukunft bestimmend vorauszusagen, nur das eine steht fest, daß wir dann statt der Gesundung, die in der Reinheit der Atmosphären, in der Entlastung unserer Nervenzentren liegt, dem Verfall entgegengehen, den uns eine krankhafte Begierde nach unnatürlichen Dingen bereitet. Krankhaft ist auch der Zug, der durch diese Symphonie Mahlers geht. Ich sage das, wenngleich ich sie nicht ganz hörte und nur nach den ersten drei Sätzen urteile. [. . . ] Zu diesem und jenem kühnen Entwurf erkennt man trotz aller Schwächeanwandlungen vor dem im fahlen Zwielicht unheimlich und gespenstisch einherschreitenden Orchesterphantom doch den Auserwählten, dessen Pflicht es ist, zu uns zu reden. Und ob auch seine Sprache oft unverständlich ist, so hört man doch auch sie, wie auch Laute aus einer andern, uns fremden Welt, in deren Banne wir wie unter einem schweren Druck seufzen. Froh sind wir jedenfalls, wenn wir davon befreit, wie aus tiefen Grüften an das Licht treten und die lachende Gottessonne erblicken. Das ist das Leben, und dieses Leben, hell, starkgliedrig, reißend wie der Bergstrom, voll Licht und Sonne, das brauchen wir, Herr Mahler! Die musikalische Kunst soll keine Totengräberdienste leisten, sondern etwas von dem Glanz und Schimmer eines höheren Waltens in die Herzen der Lebenden tragen. [B06/L]

Vielleicht ist es der Mensch in allen seinen seelischen Exaltationen, der kämpfende und aufbegehrende, der liebende, den mannigfachen lauten Lebensgenüssen und den stillen Freuden an der Natur hingegebene, der seinem Schicksal trotzende und von ihm doch erreichte und zermalmte Mensch, den Mahler in Tönen hat schildern wollen: ein Schicksalslied von gewaltigen Dimensionen. [B06/M]

Man kennt ja längst diese wunderliche und nicht für Jeden so ohne weiteres verdauliche Verquickung von anscheinender Naivität mit äußerster Bizarrerie und Kompliziertheit zu oft grellsten Kontrastwirkungen, wenn sich auch heute noch nicht jeder darüber klar ist, ob hieraus wirklich immer ein inneres Müssen und Nichtanderskönnen oder nur raffinierteste Absicht und das Streben nach einer gewissen Originalität um jeden Preis spricht, oder aber von beiden etwas. Man kennt längst auch Mahlers besonderes Behagen an heterogensten Stimmungsmomenten, an Klangwirkungen von oft eruptiver Gewalt, seine Lust, die Ausdruckscharakteristik, absichtlich mitunter bis zum Zerrbild zu treiben oder sein Orchester mit raffiniertesten Klangeffekten auszustaffieren, in welch letzteren beiden Dingen man ja auch seine originellsten Seiten erblicken mag, mit denen

Erste Seite (i) Vorherige Seite (268)Nächste Seite (270) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 269 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang