- 244 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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den befremdlichen negativen Ausgang und die düstere Klanggestalt sehen viele Rezensenten in Mahlers Persönlichkeit.

In manchen Fällen bezieht sich der Kampf schließlich auf innermusikalische Aspekte: »In den Durchführungskämpfen, bei denen in Umgestaltung, Ausdeutung, Variierung der Themen alles an die Hypertrophie der Muskulatur gesetzt wird, gibt es keinen Sieger, nur Besiegte.« [K27/B]

»Es ist grauenvolle Musik voll Verzerrungen, die von einem ständigen Kampf des Rhythmus erschüttert wird.« [H21/D]

Die weiteren Nennungen in dieser Kategorie sind allgemeiner gehalten und weniger aussagefähig: Werk als Ganzes [F26/B], Erster Satz [Wb21/B; Wb21/D; K27/C], Vierter Satz [Wb21/D]. Insgesamt zeichnet sich in der Kategorie Kampf, Ringen die Tendenz ab, den Kampf als einen individuellen zu sehen. Daran anschließend bedarf die Kategorie Untergang, Vernichtung einer eingehenderen Betrachtung unter der Fragestellung, was hier untergeht: eine Welt oder ein einzelner Mensch. Die Interpretationsgeschichte hatte die Idee des Weltuntergangs favorisiert (P. Stefan, R. Specht 1906 und 1913), woran sich 1930 Redlich und Adorno angeschlossen haben. Dieser Idee war Paul Bekker 1921 entgegengetreten, der in dem Werk den Untergang eines Individuums sah. Alma Mahler deutete es 1940 als den Untergang Mahlers.

Die rezeptionsgeschichtlichen Zeugnisse der Kritiken sehen darin in der Mehrzahl den Untergang eines Individuums. Oben war schon vom »Kampf zum Untergang« [H21/C; auch W33/E] die Rede und vom Menschen, der »Brust an Brust kämpfend [. . . ] zum Ende doch vernichtet wird« [W33/B]. Zum gleichen Konzert heißt es an anderer Stelle: »Es ist Musik, die Luzifer komponiert haben könnte, nachdem er aus dem Himmel gestürzt war und den tiefsten Abgrund der Weltennacht erreicht hatte. Das Leben im himmlischen Licht ist nur eine letzte, ferne Erinnerung. Das Dunkel verschlingt alle frühere Existenz. Das Schicksal saust als Hammer nieder, der alles entzweischlägt.« [W33/F]

In der Rubrik »Symphonie als Ganzes« sind es ferner die Kritiken K27/B, W30b/A und W33/E, wobei sich K27/B und W33/E – wie erwähnt – an die Rezension W07/H anlehnen.

Der weltgeschichtliche Untergang findet sich in einer Kritik: »Conscientia scrupulosa ist es, die ihn diese, seine Gespenstersonate schreiben läßt, in deren düsterer Mollstimmung eine Welt zusammenbricht.« [Ka24/D]

Eine weitere Rezension sieht den Untergang der Sonate: »das Werk des Durchbruchs, mit dessen eiserner und bis zum Zerspringen angespannter Sonatenstrenge Mahler die Freiheit der späteren Werke sich erzwang und das als letzte gültige und im Ausmaß des Finales bereits versinkende Sonate Bestand hat.« [F26/A]


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