- 179 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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handelt. Das gilt sowohl für Darstellungen der gleichen Aufführung in verschiedenen Zeitungen als auch für Darstellungen verschiedener Aufführungen in der gleichen Zeitung. Denn es ist einerseits denkbar, daß sich die Darstellung eines Werkes ändert, wenn sie für eine andere Zeitung mit einem anderen Leserkreis verfaßt wird. Andererseits können sich Einschätzungen, Gedanken und Assoziationen bei abermaligem oder mehrfachem Hören im Laufe der Zeit wandeln. Deshalb werden diese mehrfach vom gleichen Verfasser geschriebenen Darstellungen als gleichberechtigte und neue Dokumente nebeneinandergestellt und zur Auswertung herangezogen. Es handelt sich ohnehin nur um sehr wenige Fälle von Rezensionen, die eindeutig nachweisbar vom gleichen Verfasser stammen. Ein Verzicht darauf würde die numerische Auswertung nicht signifikant verändern. Falls gleiche oder ähnliche Charakterisierungen, die für die Bewertung relevant sind, vom gleichen Verfasser stammen sollten, wird darauf im Abschnitt »Auswertung« entsprechend hingewiesen.

Gleiche Charakterisierungen in der gleichen Rezension erhalten einen eingeklammerten Kennbuchstaben, der in der weiteren Auswertung nicht berücksichtigt ist. Zwar ist es nicht ganz unerheblich, ob zur Symphonie als Ganzes einmal oder mehrmals etwa der Begriff »dämonisch« genannt wird. Wie der folgende Auszug anhand des Begriffes »kosmisch« aber belegt, können wiederholt gezählte Begriffe die Ergebnisse verfälschen: »Man belehrt uns, daß Mahler im Finale seiner Symphonie eine ›Kosmische Tragödie‹ voll von Schrecken und Vernichtung, schildere. Eine ›kosmische Tragödie‹: welch’ großes Wort! Aber: kann man eine kosmische Tragödie – wohl den Zusammenprall zweier Weltkörper, das Ende eines Sterns, den Untergang unserer Erde – ›erleben‹, ja, kann ein menschliches Gehirn eine solche kosmische Tragödie (nicht mit ›kosmetischer Tragödie‹ zu verwechseln!) sich überhaupt vorstellen? Und vermag die Musik, kann die genialste Musikerphantasie Unerlebbares und Nichtvorstellbares musikalisch ausdrücken, festlich in Musik umwerten? Wenn Mahler in diesem bombastisch-tobenden Finale, in dem sogar ein ›Hammer‹ eine Rolle als Symbol der Zertrümmerung spielt, wirklich eine kosmische Tragödie, einen Weltuntergang schildern wollte, – was wahrscheinlich jenseits des Vermögens und der Aufgabe der Instrumentalmusik liegt [...]« [H21/D]

Falls diese gleiche Charakterisierung sich im Wiederholungsfall auf einen speziellen Satz bezieht oder mehrere Sätze mit der gleichen Charakterisierung bedacht werden, werden diese auch jedesmal berücksichtigt. Denn es stellt eine andere Qualität dar, wenn etwa sowohl im ersten als auch im letzten Satz kriegerische Marschrhythmen vernommen werden, als wenn das nur im ersten geschieht. Ebenso ist es eine andere Qualität, wenn die ganze Symphonie als Darstellung einer Vernichtung bezeichnet wird, zusätzlich aber noch das Finale als eigentlicher Ort des Untergangs Erwähnung findet, als wenn letzteres nicht der Fall ist. Eine Wiederholung der Analyse nach einem gewissen Zeitraum ergab allerweitestgehend die gleichen Ergebnisse, was ein hohes Maß an Reliabilität zum Ausdruck bringt.

Genaugenommen fehlt bei dieser Untersuchung der Rezeption eine Schicht: das verbindende Glied zwischen dem Werk als Partitur und dem Erklingen der Partitur, die performative Interpretation. Diese Ebene entzieht sich der genaueren Erkenntnis,


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