- 177 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Fragestellung – der Wahrnehmung von Krieg und Untergang und der Veränderung der Rezeption durch den Ersten Weltkrieg – im Sinne eines Vorverständnisses geleitet. Es sind also nur diejenigen Aussagen kategorial erfaßt worden, die im allerweitesten Sinne mit dem infragestehenden Verständnis der Symphonie zu tun haben. Die Aussagen umfassen jeweils adjektivische und substantivische Bildungen und beziehen auch semantisch nahegelegene Begriffe kontextuell mit ein. Es ist selbstverständlich, daß diese Vorgehensweise nicht ohne verstehendes Erkennen der Aussagen möglich ist, also einen Anteil von Hermeneutik einschließt, was aber der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse eigen ist: »Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, die sprachkompetente Interpretation des Codierers sei prinzipiell negativ einzuschätzen – im Gegenteil: Der größte Teil aller Inhaltsanalysen ist gerade auf diese Fähigkeit angewiesen; sie ermöglicht ja erst die Klassifizierung von Bedeutungen und nicht nur von formalen Zeichengestalten.«11
11
Früh, Inhaltsanalyse, S. 104.

Gerade weil der Zusammenhang der Begriffe erkannt und der Aussagegehalt verstanden werden will, ist diese Methode einer rein statistischen Auswertung von vorkommenden Begriffen, also einer reinen Häufigkeitsanalyse, überlegen. Denn ohne kontextuelle Berücksichtung des Aussagewertes sind grobe Fehleinschätzungen eines Begriffes nicht auszuschließen und werden automatisch fehlerhaft einer Kategorie zugeordnet. Desgleichen verliert man bei einer reinen Häufigkeitsanalyse eine Fülle von Bedeutungsträgern, die interpretatorisch einer Kategorie zwingend zugeordnet werden müssen, obwohl sie begrifflich abweichen. In der Theorie der Inhaltsanalyse heißt es zu diesem Grundproblem: »Die Entscheidung des Forschers [...] besteht also darin, den nicht kontrollierbaren Interpretationsspielraum zu bestimmen. Wählt er nur »harte« Indikatoren, die eine mechanische und damit sichere 1 : 1-Zuordnung von materialem Zeichenträger und dem gemeinten Bedeutungsgehalt zulassen, dann werden ihm oft eine Vielzahl relevanter Inhalte entgehen; er erfaßt nur ein Bruchstück dessen, was er eigentlich erfassen will und vermindert damit die Gültigkeit seiner Untersuchung. Läßt er dagegen auch sehr »weiche« Indikatoren zu, dann trifft er zwar sehr viel mehr relevante Inhalte und verbessert so die Gültigkeit, aber er verliert an Zuverlässigkeit (Reliabilität) bei seiner Untersuchung. [...] Als Groborientierung kann man sagen, daß in der Regel nahezu immer eine Verbesserung der Validität zu Lasten der Reliabilität gegenüber dem umgekehrten Fall vorzuziehen ist.«12

12
Früh, Inhaltsanalyse, S. 101f.

Auf dieser Basis scheint es gerechtfertigt, ein eher umfangreicheres Kategoriensystem zu erstellen als sich nur auf wenige Kategorien zu beschränken, denn »in begrenztem Umfang wird die Validität einer Untersuchung angesichts der Komplexität sprachlicher Äußerungen mit der Zahl der Kategorien ansteigen, während andererseits mit geringerer Kategorienzahl die Reliabilität wächst«13

13
Lisch/Kriz, Grundlagen, S. 71.
. Bei der Erstellung des Kategoriensystems und der Zuordnung der einzelnen Textstellen zeigte sich die Notwendigkeit des mehrfachen analytischen Durchgehens der Texte. Zum

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