- 147 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Bertolt Brechts »Nacht ist jetzt schon bald« aus »Der gute Mensch von Sezuan«97
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Das Zitat entstammt dem »Lied vom achten Elefanten« in »Shui Tas Tabakfabrik« und wird hier in jeder der vier Strophen gebracht. Das Lied symbolisiert die Niederlage von aufständischen Arbeitern gegen den Aufseher. Für die Hilfe beim Auffinden des Zitats bedanke ich mich bei meinem Kollegen Hartmuth Kinzler.
an.

Die beiden voneinander unabhängigen Aufsätze von Nodnagel beschränken sich ganz auf eine Darlegung des formalen Aufbaues und verzichten völlig auf eine Deutungs- oder Symbolebene. Ein einziger Hinweis verbirgt sich in dem Notenzitat über dem Aufsatz in der Musik, das als Motto bezeichnet und mit »R. Strauss« untertitelt ist. Es handelt sich um ein Motiv aus dem zweiten Satz des Heldenlebens mit dem Titel Des Helden Widersacher.98

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Ein erstmals 2 Takte vor Ziffer 14 von den Tuben gespieltes Motiv. (Frdl. Hinweis von Dr. Jürgen May vom Richard-Strauss-Institut, Garmisch-Partenkirchen.)
Immerhin hierdurch weist Nodnagel darauf hin, daß es in der Symphonie um eine kämpferische Auseinandersetzung geht. Gerade solche Arbeiten wie diese, die sich ganz auf eine formanalytische Darstellung der Musik beschränkten, stießen auf Mahlers Ablehnung (vgl. Kap. III). Specht bezeichnet die Arbeit Nodnagels als »eine in den Äußerlichkeiten des Technischen durchaus klare und übersichtliche Studie«, womit er ihre Begrenztheit anspricht99
99
Specht, Mahler (1913), S. 290.
. In eine ähnliche Richtung wie Nodnagel gehen die Erläuterungen von Karl Weigl zur Sechsten Symphonie, die in der Schlesinger’schen Musik-Bibliothek vor 1910 erschienen.

Fast ebenso zurückhaltend ist Paul Stefan in seinem 1910 erschienen Mahler-Buch, getreu seiner ästhetischen Position, die Bedeutung des Programmatischen in Mahlers Musik stark einzugrenzen100

100
Ebd., S. 86–89.
. Allerdings spricht er mehrfach an, daß der scharfe Rhythmus in den Ecksätzen oft absichtlich an die grelle Schärfe der Militärmärsche und Trauerkondukte erinnere, die Bläser verwende er »oft in der Art der Militärkapellen schrill und grell, bald wieder, um die rohe Wucht des Alltags zu verkörpern (Sechste Symphonie)«101
101
Stefan, Mahler (1910), S. 69 und 72.
. Die weiteren Attribute, mit denen er die Sechste Symphonie beschreibt, weisen in die gleiche Richtung: »die Wucht der Tonmassen scheint wie gegen äußere Feinde gerichtet«, »geheimnisvolle Dämmerklänge mischen sich in die unbarmherzigen Marschrhythmen des ersten Satzes«, »in der rohen Wucht des Vorwärtsdrängens geht alles unter«, »Wiederholung allen Schreckens, jeder Versuch, die Nacht zu zerreissen, wird von einem unablässig brüllenden Sturm vereitelt«.102
102
Ebd., S. 102–104.
Bringt man diese Attribute auf einen Nenner, dann geht es um einen militärischen Kampf, dem man unterliegt.

Die Idee der Vernichtung einer Welt, die er schon 1906 zum Ausdruck gebracht hatte, greift Richard Specht 1913 wieder auf. Er lehnt diese Vernichtung an apokalyptische und dämonische Vorstellungen an. Es heißt:

»ein Traum voll brandender Verzweiflung, finster, in Grimm und Not um sich schlagend, in wütendem Kampfe gegen Dämonen, die in wilden Hammerstreichen ganze Welten zusammenschmettern. [...] der Klang stiller Herdenglocken, der als letzter menschlicher Laut aus dem Tal zu den vereisten


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