- 11 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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eigene musikalische Ästhetik nicht in erster Linie auf formimmanente Aspekte, wie in Kapitel III ausgeführt wird.

In einem neueren Beitrag zum Problemkreis wählt Martin Geck implizit die Mitte zwischen formalen und hermeneutischen Zugängen. Vor dem Horizont seines Themas – die Sechste Mahlers als historisch letzte Auseinandersetzung mit einer Final-Idee, an der sich die Symphonik des 19. Jahrhunderts beständig abgearbeitet hat – untersucht er zunächst die Gattungsgeschichtlichen Ursachen für den Eindruck des »heroischen Scheiterns«, den das Finale auf ihn macht. Unter Berufung auf die Erinnerungen Alma Mahlers versteht er dieses Scheitern jedoch auch dezidiert als Scheitern eines »Helden«. Das Finale, so heißt es, »bleibt affirmativ auch im Untergang. Es ist ein Untergang erhobenen Hauptes und hat seine literarische Entsprechung in jenem konsequenten Idealismus, den man in einer Schillerschen Tragödie findet. Der Held scheitert, jedoch nicht die Idee des heldenhaften Kampfes.«41

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Martin Geck, Zur Final-Idee in Mahlers Sechster Symphonie, in: Gustav Mahler und die Symphonik des 19. Jahrhunderts. Referate des Bonner Symposions 2000, hg. von Bernd Sponheuer und Wolfram Steinbeck, Frankfurt/M.. . . 2001, S. 165f.
Seine gattungsästhetisch begründeten und biographisch gestützten Vorstellungen sieht Geck allerdings nicht in Konkurrenz zur Interpretationskonstante »Visionen vom Untergang«. In seinen Augen ist eine solche Konstante allein deshalb diskurswürdig, weil sie aus plausiblen Gründen in der Welt ist und inzwischen zum Werk gehört.42
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Fazit eines Gesprächs mit dem Autor.

Den formimmanenten Mahler-Arbeiten auf deutschsprachigem Gebiet, denen noch zahlreiche andere hinzugefügt werden können43

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Hans-Peter Jülg, Gustav Mahlers sechste Symphonie, München-Salzburg 1986; die drei Aufsätze zur Sechsten in: Gustav Mahler, hrsg. von Hermann Danuser, Darmstadt 1992 (= Wege der Forschung 653), S. 206–275; früher die beiden Aufsätze von Erwin Ratz zur Sechsten in: Ratz, Gesammelte Aufsätze, hg. v. F. C. Heller, Wien 1975, S. 123–146.
, stehen im anglo-amerikanischen Sprachraum weitere analytisch-theoretische Arbeiten an der Seite.44
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Zum Unterschied einer anglo-amerikanischen und einer austro-germanischen Mahler-Analyse vgl. John Williamson, Mahler, Hermeneutics and analysis, in: Music analysis 10 (1991, S. 357–373.
Dennoch werden hier auch andere Wege beschritten, die auf deutschsprachigem Gebiet bisher keine breitere Resonanz erzielt haben:

William McGrath verfolgt in seiner Studie Dionysian Art and Populist Politics in Austria45

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William J. McGrath, Dionysian Art and Populist Politics in Austria, New Haven and London 1974.
von 1974 den Gedankengang, daß die im Pernerstorfer-Zirkel, wie er ihn bezeichnet – es ist die Gruppe um Victor Adler, Pernerstorfer, Lipiner, Friedjung und Mahler –, gemachten Erfahrungen für die weitere Entwicklung der betreffenden Personen entscheidende Bedeutung zukommen. Im Zentrum seiner Untersuchung steht einerseits Victor Adler, der Sozialist, und andererseits Gustav Mahler. Beide haben, so McGrath, ihr Bestreben zur Regeneration der heruntergekommenen liberalbürgerlichen österrreichischen Gesellschaft in ihrer eigenen Sphäre umzusetzen versucht. Entscheidende Bedeutung habe dabei die Auseinandersetzung mit dem Werk Wagners und den Schriften Nietzsches eingenommen, daran anschließend auch mit dem Schaffen Siegfried Lipiners. Adler führte das zur Gestaltung der sozialistischen Partei, Mahler zur Ausrichtung seiner Kompositions- und Dirigententätigkeit.

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