- 66 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Stellung innehat. Dieser Aspekt ist jedoch immer unter der Vorgabe zu betrachten, dass Malle im Film eine Parodie sah. So sind die musikalischen Genrezitate wohl eher auf der Ebene der (ebenfalls nicht immer deutlich werdenden) visuellen und textlichen Anspielungen zu verstehen – wenn beispielsweise Maria I das Volk mit der Totenrede des Marc Anton aus Shakespeares Julius Caesar aufwiegelt. Zitate wollen entschlüsselt werden – und wirken in der Parodie nur durch groteske Überzeichnung. Diesen Aspekt verfehlt Viva Maria an einigen Stellen zumindest in musikalischer Hinsicht – sofern es denn intendiert war, den Gebrauch von stereotyper Musik in Western- und Abenteuerfilmen zu parodieren. Andernfalls wirkt die musikalische Sprache wie eine leicht zu verstehende, floskelhafte Konzession an das Massenpublikum, das in diesem Film weder akustisch noch visuell vor größeren Verständnisprobleme gestellt wird.

  Le Voleur – ein Vorläufer des Dokumentarischen Spielfilms

Nach dem Film Viva Maria schlägt Malle in Le Voleur sowohl stilistisch als auch musikalisch eine andere Richtung ein. Obwohl ebenfalls ein Kostümfilm und in nahezu derselben Epoche wie die mexikanische Revolutionskomödie angesiedelt (Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert), ist sowohl der Ton als auch die Musikbehandlung gänzlich verschieden.

In diesem 1966 gedrehten Film, der auf einem Roman von Georges Darien mit gleichnamigen Titel basiert, erzählt Malle die Geschichte von Georges Randal, einem professionellem Einbrecher, der – anfangs aus Rache an seinem Onkel, der ihn um seine Erbschaft gebracht hat, später aus Sucht – systematisch Wohnungen und Villen des Großbürgertums ausraubt. Formal ist der Film als Rahmenhandlung mit Rückblende inszeniert (während eines Einbruchs, welcher zu Beginn, am Ende und in kurzen Segmenten während des Films gezeigt wird, erzählt Randal häufig mittels Off-Stimme sein Leben und erklärt, warum er zum Dieb wurde. Dazu erfolgen die Rückblenden).

Der Film behandelt einerseits eine Kritik am Großbürgertum, welches zur Zeit der Handlung in Frankreich zu einer mächtigen Kraft aufgestiegen war. Die Bourgeoisie wird durch solche Gestalten wie Randals raffgierigen Onkel Urbain oder seinen ehemaligen Schulfreund Mouratet dargestellt. Andererseits taucht das zentrale Thema des Films Le Feu follet wieder auf: Die Gesellschaft wird pauschal angeklagt, für das Schicksal und Scheitern des Protagonisten verantwortlich zu sein.161

161
Vgl. Hellwig, Klaus: »Der Dieb von Paris«. In: Filmkritik 11/67, S. 628 f.
Ebenso wie Alain Leroy ist auch Georges Randal einsam. Alles, was für ihn zählt, ist der Akt des Stehlens; weder materieller Reichtum noch die Liebe Charlottes geben seinem Leben einen Sinn. Daher gestaltet sich das Ende des Films zweideutig: obwohl Randal alles erreicht hat, wonach er in früheren Jahren gestrebt hat – seine Jugendliebe Charlotte und der durch Fälschung des Testaments erworbene Reichtum seines Onkels – tritt kein Happy-End ein. Vielmehr wird Randal als

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