Der dreißigjährige Alain Leroy führt in einem Privatsanatorium eine Entziehungskur durch, die
ihn von seinem Alkoholismus heilen soll. Er lebt getrennt von seiner amerikanischen Frau
Dorothy, die in New York weilt. Deren Freundin Lydia hat ihn in Paris besucht. Nachdem ihm
der ihn betreuende Arzt Dr. la Barbinais ankündigt, er sei geheilt und werde bald entlassen,
beschließt Leroy sich umzubringen. Zuvor besucht er alte Freunde und ehemalige Trinkkumpane
in Paris, die ihn jedoch nicht von seinem Entschluss abhalten können und ihn durch ihren
geordneten Lebensstil abstoßen. Nach einem Alkoholrückfall wacht Leroy am nächsten Morgen
in der Klinik auf, wo er sich erschießt.
Malle besetzte die Rolle des Alain Leroy mit seinem langjährigen Freund Maurice
Ronet, der sich mit der Rolle sehr gut identifizieren konnte, zumal auch er
Alkoholprobleme hatte. Malle selbst sah in dem Sujet ebenfalls einen autobiographischen
Aspekt.116
Vgl. Mallecot, Jacques: Louis Malle par Louis Malle. Paris: Editions de l’Athanor 1978, S. 34
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Der Film beschreibt die Probleme eines Mannes, der nie gelernt hat erwachsen zu
werden. Alain Leroy war in seinen jüngeren Jahren besonders bei Frauen beliebt und
veranstaltete ein Leben voller Feiern und Trinkexzesse. Da er sich immer von reichen
Frauen hat aushalten lassen, musste er sich um seine finanzielle Situation nie ernsthafte
Sorgen machen. Der Film zeigt ihn an einem Punkt, an dem er sich dieser Situation
bewusst wird, einen anderen Ausweg als den Selbstmord jedoch ablehnt. So dient die
Abschiedsreise von seinen ehemaligen Freunden in Paris eher als Bestätigung
seines Freitodes denn als letzte Chance: Dubourg ist ein Archäologe geworden,
der sich in den Komfort der Ehe begeben hat, nun keine ›Hoffnung, sondern
Gewissheit‹117
Vgl. »Le feu follet – découpage et dialogue«. In: L’Avant-Scène du Cinéma 30 (15. 10. 1963),
S. 4–45, hier S. 32: »Oui, j’ai veilli! Je n’ai plus d’espoir mais j’ai une certitude . . . Je
suis sorti de ma jeunesse pour entrer dans une autre vie.« (»Ja, ich bin gealtert. Ich habe
keine Hoffnung mehr, aber Gewissheit. Ich habe meine Jugend zurückgelassen und bin in ein
anderes Leben eingetreten.«)
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hat. Leroy wirft ihm das Aufgeben alter Träume und seinen
bourgeoisen Lebensstil vor, wird aber seinerseits von Dubourg als unreif
erkannt.118
Vgl. ebda.: »Toi, tu tournes le dos, tu refuses l’âge adulte, tu restes enfoncé dans ton
adolescence.« (»Du, du wendest dich ab, du lehnst das Erwachsenenalter ab, du bleibst in
deiner Jugend stecken.«)
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Jeanne, drogenabhängig und vom Möchtegernintellektuellen Urcel umgeben, führt eine
Kunstgalerie. Auch sie kann Leroy keinen Halt geben, der die Scheinwelt des aufgeblasenen Urcel
durchschaut.119
Vgl. ebda., S. 34: »Vous n’êtes que des formes vides.« (»Ihr seid nichts als Gefäße ohne
Inhalt.«)
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Die Minville-Brüder, Kameraden aus Leroys Armeezeit, organisieren sich in der
OAS120
OAS: Organisation de L’armée secrète, eine nach dem gescheiterten Putsch französischer
Generäle gegründete rechtsextreme Vereinigung, die für ein französisches Algerien plädierte
und durch Terroraktionen in Paris auf sich aufmerksam machte.
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und bereiten rechtsextreme Terroranschläge vor, während Alain sie ›Pfadfinder‹
nennt.121
Vgl. »Le feu follet – découpage«, S. 36: »Vous êtes des boy-scouts.«
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Vollends verzweifelt ist Leroy schließlich bei seinem alten Freund Cyrille Lavaud,
dessen Selbstsicherheit und Erfolg ihn verunsichern und in dessen Frau Solange
er einst verliebt war. Auf einem von ihnen veranstalteten Dinner verliert
Alain unter Alkoholeinfluss die Contencance und verlässt schließlich die
Gesellschaft. An dieser Stelle manifestiert sich ein weiteres Motiv Alains: seine
Unfähigkeit zu lieben und zu berühren. Solange dient hier als Personifizierung des
Lebens.122
Vgl. ebda., S. 45: »Solange, tu es la vie. Ecoute, la vie, je ne peux pas te toucher. C’est
atroce.« (»Solange, du bist das Leben. Hör zu, Leben, ich kann dich nicht anfassen. Es ist
grausam.«)
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Mit diesen Problemen beladen erscheint Alain der Selbstmord als letztmögliche Konsequenz,
ein
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