- 253 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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viert ist, dass ihm die Probensituation in Straßenkleidern nicht mehr bewusst ist. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der Rezeptionssituation im Film My Dinner With André. Auch in jenem Fall läuft der eigentliche Film in der Imagination des Zuschauers ab; d. h., Malle gibt lediglich Anregungen (Erzählungen), die als Reflektionsanstoß fungieren.

»Bilder beginnen aufzuleben, die gar nicht wirklich da sind – eine Urfunktion von Kino und Theater. [...] Man sieht, wie ein Text, wenn er in Bildern gedacht und aufgesetzt ist, nur eine Wirkung haben kann, nämlich die, Bilder zu beschwören, die man dann gar nicht mehr eigens auf eine Bühne zu bringen oder auf eine Leinwand zu projizieren braucht. Und man sieht, wieviel das Kino vom Theater zu lernen hätte, wie leicht es sich auch mit einem Minimum auskommen lässt. Oft genügt die Lektüre, das Kino im Kopf. Nicht alles, was Entwurf ist, drängt selbstverständlich nach einer Realisation. Die immer so laut bekräftigte Notwendigkeit, Filme müssen reich an Bildern sein, erweist sich als eine höchst relative Sache. Die Fülle gedeiht je nachdem aus der Dürre, ja geradezu aus dem blanken Nichts.«670

670
Lachat (1995), S. 15

Diese Ästhetik ähnelt dem Dokumentarfilmprinzip ›montrer au lieu de démontrer‹,671

671
›zeigen statt erläutern‹
schließt eine verstärkte Selbstreflektion des Filmbetrachters mit ein und garantiert in gewisser Weise auch die Zeitlosigkeit der Filme, in denen unabhängig von Kostümen oder ideologischen Interpretationen die Inszenierung seitens des Regisseurs auf ein Minimum reduziert wird und die sich alleinig auf die Kraft des gesprochenen Wortes und der Imaginationskraft des Zuschauers bzw. auf die Macht des dokumentierten Bildes verlassen. Die Tongestaltung unterstützt diese Ästhetik durch die Fokussierung auf das Wort (›langue et parole‹, vgl. Artikel über God’s Country/... And The Pursuit Of Happiness) und auf Originalgeräusche und gestattet lediglich eine sparsame, dezente Musikbegleitung. Die beiden Filme (Vanya/My Dinner) sind ohnehin ›Sprachfilme‹, die eine Musikdramaturgie überflüssig erscheinen lassen. So stellt die Redman-Partitur in Vanya On 42nd Street eher stimmungsvolles schmückendes Beiwerk denn ein dramaturgisch wichtiges Element dar.


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