- 251 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (250)Nächste Seite (252) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

eine Pause eingefügt ist, in der sich die Schauspieler stärken und entspannen. Bevor die eigentliche Handlung beginnt, montiert Malle einen Prolog, der – ähnlich wie zu Beginn von My Dinner With André – mit impressionistischen Eindrücken Manhattans beginnt (hier der 42. Straße). Allmählich lösen sich aus der vorbeieilenden Menschenmenge (»la faune urbaine new-yorkaise«)665
665
Lalanne (1995), S. 59 (»der städtische New Yorker Menschenschlag«)
die Schauspieler heraus, die sich im alten Theater versammeln. Nach kurzen Gesprächen der Schauspieler fängt die Handlung an. Diesen Übergang gestaltet Malle jedoch unmerklich, fließend, vergleichbar mit dem Übergang des zweiten und dritten Teils in Humain, trop humain – der Zuschauer merkt erst nach ein paar Sekunden, dass er sich bereits mitten im Stück befindet.

Dieser Prolog war für Malle von besonderer Bedeutung. Er gibt die Erinnerungen des Regisseurs wieder, der, als er zu spät zu einer Aufführung im Victory Theatre kam, gezwungenermaßen vor der Tür warten musste:

»Für eine halbe Stunde lang stand ich also in der 42sten Straße und beobachtete, was um mich herum geschah, und dachte: ›Wow!‹ Und ich behielt die Eindrücke im Gedächtnis. Es war Sommer und es herrschte ungefähr das gleiche Licht, das wir hatten, als wir den Prolog – und was in der Straße passierte! – filmten. Deshalb nannten wir den Film WANJA – 42ste STRAßE. Ich glaube, es ist wichtig zu zeigen , dass es sich um ein urtypisches New Yorker Projekt handelt.«666

666
Malle in French (1998), S. 283

Auffällig ist der Kontrast zwischen der äußeren Umgebung des Theaters, des Außenraumes Manhattan, der von brodelndem Leben, Sex-Shops und Hot-Dog-Buden geprägt ist, und dem Innenraum, dem alten Theater, in dem sich hochkarätige Schauspieler mit einem anspruchsvollen Stück beschäftigen. In diesem Aspekt wird deutlich, wie sich der Dokumentarist Malle mit dem Theaterfan Malle vereint. Obwohl der Prolog nur fünf Minuten dauert, erhält der Filmbetrachter prägnante Hinweise, die auf den Ort der Handlung verweisen – die typischen New Yorker Straßenschilder, das multikulturelle Bevölkerungsgemisch und den unvermeidlichen Verkehrslärm. Hier manifestiert sich die Beobachtungsgabe Malles, der auch die Handlung im Außenraum (Straße) wie in einem Dokumentarfilm ansiedelt: Der Filmbetrachter erkennt zunächst nicht, dass ein Teil der wie zufällig anvisierten Personen zum Theaterensemble gehört. Dieser kurze Ausschnitt stellt ein weiteres Beispiel im Schaffen Malles für eine Fusion von Dokumentar- und Spielfilm dar.

Die Tonspur hat an der Kennzeichnung des Ortes New York wesentlichen Anteil. Neben den bereits erwähnten typischen Verkehrsgeräuschen (Malle war es wichtig, dass auch während des Stücks die Polizeisirenen außerhalb des Theaters vernehmbar waren, um dem Filmbetrachter durchgängig zu vermitteln, wo die Probe stattfindet)667

667
Vgl. ebda. (»Deshalb schnitten wir die Polizeisirenen nicht heraus, und Wally trinkt aus einer ›I love NY‹-Tasse. Wir behielten solche Dinge bei, damit die Zuschauer, auch wenn sie vergessen, wo wir sind, und nur das Stück verfolgen, wenigstens nicht denken, wir seien woanders.«)
erinnert auch das breite Amerikanisch der Darsteller an den Drehort. In ähnlicher Weise gliedert sich die Musik Joshua Redmans668
668
Der Saxophonspieler Joshua Redman gilt als einer der Shooting Stars der jüngeren Jazz-Szene. 1969 in Berkeley, Kalifornien als Sohn des Avantgarde-Saxophonisten Dewey Redman geboren, studierte er zunächst in Harvard, bevor er 1993 mit seinem Debütalbum den Durchbruch als Jazz-Größe schaffte. Die Musik im Film ist von seinem 1994er Line up ›The Joshua Redman Quartet‹ eingespielt und auch teilweise auf dem 1994 erschienen Album MoodSwing enthalten (so der Titel ›Chill‹). Neben Redman am Tenorsaxophon spielen Brad Mehldau am Klavier, Christian McBride am Bass und Brian Blade am Schlagzeug. Redmans Karriere nahm feste Formen an, nachdem er in den frühen 90er-Jahren nach New York umsiedelte und mit Jazzgrößen wie Pat Metheny spielte. Daher kann er als einer der Vertreter der New Yorker Jazz-Szene angesehen werden, zumal sowohl sein Debut als auch MoodSwing in New Yorker Studios eingespielt wurden, auch wenn er auf jüngeren Produktionen verstärkt mit Musikern aus New Orleans zusammenspielt.
in die Tonspur ein. Sie

Erste Seite (i) Vorherige Seite (250)Nächste Seite (252) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 251 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?"