und wissbegierige Sally, die entschlossen ist, ihren sozialen
Status zu verbessern und bei jeder sich ihr bietenden Gelegenheit etwas zu
lernen.633
Vgl. Segment 72, in dem Sally Lou bittet, ihr Informationen und Weisheiten beizubringen:
»Teach me stuff!«
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Die Norma-Arie, die sie von ihrem hinterlistigen Croupierlehrer erhalten hat (der es
wiederum nur auf sie abgesehen hat), repräsentiert für sie die europäische Kultur und
Tradition;634
Somit ist die Musik auch Ausdruck für ihre Sehnsüchte, und wenn sie sich zu dieser Musik
reinigt, projiziert sie in die Opernmusik ihre Wunschträume von einem Leben in Europa.
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im Gegensatz zu der amerikanischen in Form von Jazz und Rock eine völlig neue und
fremde Erfahrung für sie (vgl. Sallys unsicherer Kommentar auf Josephs Frage
nach der Musik: »Yeah, I’m beginning to like it«). Malle entlarvt somit ihre
herbeigesehnte ›Befreiung‹ aus »ehemals finanziell bescheidenen und geistig engen
Verhältnissen«635
als die Aneignung von Pseudowissen, welches die gleiche fragwürdige Qualität hat wie
die Reportage über Weine im Autoradio am Ende des Films (Segment 102).
Deutlich wird dieses auch in ihrer Äußerung zu Lou während des gemeinsamen
Mittagessens in Segment 72: »I am learning about music and I am gonna start
reading books, you know, developing some style, learning the languages, cause
I really wanna travel.« Es ist dieses Potpourri aus Musik, Literatur und
Französisch-Sprachkassetten, mit dem sich Sally auch von ihrem Ex-Ehemann Dave abheben
will,636
Somit kann das Einreiben mit Zitronensaft und das Hören des ›höheren‹ Kulturgutes Oper
auch als eine Art innere und äußere Katharsis gelten, durch die Sally sich sowohl vom Geruch
der Austern als auch von ihrer kulturellen Herkunft reinwaschen will.
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der – wie Segment 20 zeigt – der Opernmusik trotzig den Bellini-Rock als
Kennzeichen seiner eigenen kulturellen Identität entgegensetzt. In dieser
und den darauffolgenden Szenen dient die Musik für Sally offensichtlich
als eine Art Therapeutikum: »gegen die Hektik der sich in der Wohnung
ausbreitenden Besucher Dave und Chrissie hat Sally ihre Beruhigungsmusik
eingestellt«.637
Noch deutlicher wird dieser Aspekt in Segment 23, wenn Sally stürmisch aufbricht,
um zum Croupier-Kurs zu gelangen, und sich immer wieder einredet »I am not gonna
get upset!«, während die Musik mit unverminderter Lautstärke aus ihrer Handtasche
dringt und gerade zwischen den vielen Menschen auf dem Boardwalk befremdlich
wirkt.
Die Musik wird von Sally folglich nicht aus Kunstgenuss eingesetzt, sondern
aus selbst auferlegtem Kunstzwang und als ständige Erinnerung an ihr Ziel,
beruflich in Europa zu reüssieren, dessen Erreichen durch den mehr oder
weniger unreflektierten Gebrauch der Musik als Beruhigungsmittel und
intuitiver Begleitung der Waschprozedur schon frühzeitig in Frage gestellt
wird.638
Ein Scheitern von Sallys Plänen wird noch wahrscheinlicher, nachdem der Mafia-Killer
ihren Kassettenrekorder in Segment 77 in Stücke schlägt und damit die Abrufbarkeit der
europäischen Illusion in Form der Norma-Kassette, aber auch des französischen Sprachkurses
unmöglich wird.
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Allein dem Musikkenner werden an dieser Stelle die Mehrschichtigkeit und die
weiteren Ebenen der Musik bewusst; können die Kodierungen der Musik nicht
identifiziert werden, bleibt lediglich der atmosphärische Eindruck der Musik in den
Waschszenen, das Zusammenwirken von romantischem musikalischen Gestus mit
Dämmerlicht und entblößtem Frauenoberkörper.
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