Kommentare charakterisiert, die ein Stimmungsbild der französischen Gesellschaft
ermöglichen.
Faure repräsentiert den Typus des fanatischen Antisemiten und Musterkollaborateurs.
Dieses wird besonders an zwei Stellen im Film deutlich. Als Professor Vaugeois
von der Miliz verhaftet wird, bezeichnet Faure die Widerstandskämpfer als
Terroristen und sagt, dass sich de Gaulle mit Juden und Kommunisten umgebe
(S 34).513
Vgl. Malle, Louis/Modiano, Patrick: Lacombe Lucien. Texte et documents. Stuttgart: Klett
1989, S. 46
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Bei der Verhaftung Horns vergleicht er Juden mit Ratten (»Pour moi, un Juif
c’est comme un rat, ni plus, ni moins. [. . . ] Ça pullule . . . Il y en a de plus en
plus.«514
Vgl. ebda., S. 83 (»Für mich ist eine Jude wie eine Ratte, nicht mehr und nicht weniger. Es
wimmelt nur so von ihnen und es werden immer mehr.«)
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).
An anderer Stelle wird sogar Bewunderung für typisch ›deutsche‹ Tugenden wie Zuverlässigkeit
und Pünktlichkeit deutlich, wie der Kommentar der Sekretärin Lucienne in Segment 22
belegt: »Ils sont serviables . . . et ponctuels . . . Si on avait été comme eux, on aurait gagné la
guerre.«515
Ebda., S. 24 (»Sie [die deutschen Soldaten] sind hilfsbereit und pünktlich. Wenn wir genau
so gewesen wären, hätten wir den Krieg gewonnen.«)
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Die Serviererin Marie schließlich entpuppt sich ebenfalls als Antisemitin, obwohl die
Heftigkeit ihres Wutausbruchs in Segment 58 auf Eifersucht zurückzuführen ist: »Sale
Juive! . . . Elles ont toutes la vérole! [. . . ] Je veux lui parler, à cette salope
. . . «516
Vgl. ebda., S. 69 (»Dreckige Jüdin! . . . Die haben alle Syphilis! Ich will dieser Schlampe mal
was erzählen . . . «)
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Durch diese Äußerungen wird deutlich, dass sich manche Franzosen
ideologisch nur wenig von den Nationalsozialisten unterschieden oder
zumindest stillschweigend mit einigen Aspekten der Besatzungsmacht
sympathisierten.517
Louis Malle berichtet in einem Interview mit Gilles Jacob (Jacob (1974), S. 29), dass nicht
nur ideologisch Gleichgesinnte ihren Vorteil aus der Kollaboration mit den Deutschen zogen,
sondern auch aus reinem Eigennutz denunzierten: »Vous savez, qu’on a retrouvé certaines
archives de la Gestapo et on s’est aperçu qu’en France elle fonctionnait à 90 % avec du
personnage engagé sur place que les Allemands dirigeaient et encadraient. C’était vraiment
les Français qui faisaient marcher la boutique. Il y avait des agents en plein temps [. . . ]
et, en plus, beaucoup d’indicateurs. Des gens qui donnaient des renseignements pour de
l’argent, pour se débarrasser d’un créancier, d’un ennemi. On a retrouvé des milliers et des
milliers de lettres anonymes.« (»Wissen Sie, man hat einige Archivmaterialien der Gestapo
wiedergefunden, und man fand heraus, dass der Polizeiapparat in Frankreich zu 90 % aus
Personen bestand, die von den Deutschen geleitet und vor Ort eingestellt wurden. Es waren
wirklich die Franzosen, die den Laden am Laufen hielten. Es gab Vollzeitbeschäftigte und
zudem viele Spitzel. Das waren Leute, die gegen Geld Informationen gaben, um sich eines
Gläubigers oder eines Feindes zu entledigen. Man hat Tausende von Briefen gefunden.«)
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Das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen im Film gestaltet sich bis auf die
Razzia in Segment 84 denn auch ausgesprochen kooperativ, teilweise sogar
freundlich, wie das Auftreten des Soldaten in Segment 22 belegt. Zweifelsohne
profitierten auch manche Franzosen als Kriegsgewinnler von der Okkupation, was
im Film an Mme Georges und dem versnobten Dandy Jean-Bernard deutlich
wird.
Unerbittlich ist jedoch die Härte, mit der regimefeindliche Kräfte
behandelt werden, wie die (teilweise nur akustisch wahrzunehmenden)
Folterszenen und das Vorgehen gegen verdächtige Personen zeigen, welches
selbst vor Offizieren der Vichy-treuen Waffenstillstandsarmee nicht Halt
macht.518
Vgl. Malle/Modiano (1989), S. 86
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Es grassiert ein Klima blinden
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