- 186 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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sik in der Nachkriegszeit zu ziehen. Ab den 20er-, vor allem aber in den 30er-Jahren war Frankreich und vor allem Paris eine Hochburg für amerikanische Jazzgrößen, die häufig sogar nach Europa übersiedelten. Die Gründe sind einerseits in der damals liberaleren, weniger von Rassismus geprägten Gesellschaft als auch in den besseren ökonomischen Bedingungen zu suchen. So florierte der Swing in den 30er-Jahren, und Musiker wie Bill Coleman, Joe Turner oder Arthur Briggs gaben der französischen Jazz-Szene wichtige Impulse. Während des Krieges und der deutschen Besatzung verließen die amerikanischen Musiker Frankreich, was zu einem Aufschwung der französischen Jazz-Musiker führte. Wohl auch aufgrund des Bedarfs an Ablenkung und des »Hungers nach Amüsement«469
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Charles Delaunay in: Jost, Ekkehard: »Le Jazz en France«. In: Wolbert (1997), S. 313–328, hier S. 322
entwickelte sich ein großer Enthusiasmus für den Jazz, der von weiten Teilen des Publikums getragen wurde.

Nach dem Krieg wurde Frankreich zur wichtigsten Station für amerikanische Jazz-Emigranten und zur »Hauptstadt des Jazz in Europa«,470

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Jost (1997), S. 325
was zweifellos auch mit dem intellektuellen Klima dieser Zeit in Paris zusammenhing. Dennoch gibt es über die Rezeption des Bebop seitens der Intellektuellen im Paris der Nachkriegszeit verschiedene Aussagen. So schreibt Ekkehard Jost: »Die Intellektuellen aus dem Kreis um Jean-Paul Sartre hatten den modernen Jazz in ihr Herz geschlossen. Miles Davis, der zum ersten Mal 1949 beim Pariser Salon du Jazz aufgetreten war, gehörte zu den jugendlichen Helden der Existentialisten.«471
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Ebda.
Und auch die von Polemik geprägte Aussage Weldon Kees’ aus dem Jahre 1948 zielt in die gleiche Richtung: »In Paris . . . wo die Intellektuellen in stärkerem Maße als in jeder anderen Stadt der Welt auf zynische Weise dem Stalinismus zugetan sind, wird Bebop besonders bewundert.«472
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Weldon Kees zit. n. Jost, Ekkehard: Sozialgeschichte des Jazz in den USA. Frankfurt am Main: Fischer 1982, S. 101
Dagegen schreibt Joachim-Ernst Berendt über den Erfolg des New Orleans-Klarinettisten Sidney Bechet in Paris:

»Die jungen Existenzialisten umjubelten ihn [Bechet] und hielten seine Musik für einen musikalischen Ausdruck dessen, was doch viel eher der Bebop (den nur wenige von ihnen mochten) gewesen ist – Ausdruck der Ängste, der Entfremdung und ›Geworfenheit‹ ihrer Zeit. Sidney Bechet belächelte die ärmlichen Bop-Musikanten. Er spielte Icecream und andere fröhliche Songs [...]«473

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Berendt, Joachim-Ernst: »Expatriates«. In: Wolbert (1997), S. 305–310, hier S. 306

Direkt nach dem Krieg war in der Tat zunächst Dixieland die gefragteste und beliebteste Jazz-Form, auch unter den Intellektuellen, bevor man kurze Zeit später zum modernen Jazz umschwenkte:

»Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ›Jazz-Boîtes‹ in St.-Germain-des-Prés zu dem mit existentialistischer Philosophie verstärkten Hauptquartier der Dixieland-Bewegung. Dann bemerkten die jungen Existentialisten, daß ihrer Philosophie doch eine Musik angemessener sei, in der sich nicht so sehr die glückliche Unbeschwertheit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wie die


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