- 163 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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wobei nicht geklärt werden kann, ob die asiatischen Klänge vor Ort aufgenommen wurden.

Die Musik hat in manchen Segmenten eine ähnliche Funktion wie der Off-Kommentar, d. h. sie wirkt kontrapunktisch und ironisch zu den Bildern. In Segment 5 montiert Malle Bilder amerikanischer und japanischer Touristen. Dabei fokussiert er voyeuristisch auf den enormen Überbiss einer japanischen Frau, die gemeinsam mit amerikanischen Touristen mit naiv wirkendem Lächeln ein Aquarium betrachtet. Die fremd wirkende Geigenmusik suggeriert in diesem Fall ein generelles Unverständnis sowohl gegenüber den Fischen als auch gegenüber der Musik (dies trifft vermutlich eher auf den Amerikaner als auf die Japanerin zu). Hierbei verbinden sich die fernöstlichen Geigenklänge mit den Bildern der Touristen zu einer entlarvenden Einheit, zumal auch sämtliche Geräusche ausgeblendet sind.

An anderen Stellen hat die Musik die Funktion, asiatisches Lokalkolorit zu verbreiten, wenn in den Segmenten über den Brahmanen-Priester und den Buddhismus eine Solo-Flöte und Mönchsgesänge erklingen (Segmente 26–27) und an anderen Stellen charakteristische Perkussion eingesetzt wird (Segment 28; 30).

Die Ironie als Funktion der Musik, die in anderen Fällen gegen den westlichen Einfluss gerichtet ist, zeigt sich besonders deutlich in den Szenen, die das mannigfaltige Nachtleben illustrieren (»Pour qui aime la nuit, Bangkok est une ville heureuse.«404

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»Diejenigen, die das Nachtleben lieben, werden in Bangkok auf ihre Kosten kommen.«
). Malle montiert in Segment 17 den Hit des damaligen Jahres 1963 Blame It On The Bossa Nova von Eydie Gorme (in Deutschland hatte Manuela mit der Coverversion Schuld war nur der Bossa Nova im gleichen Jahr großen Erfolg), allerdings in thailändischer Sprache. An anderer Stelle (Segment 24) erklingt in einem Nachtclub ebenfalls in thailändischer Sprache ein Rock’n’Roll-Stück, wobei die Worte ›Rock’n’Roll‹ mit asiatischem Akzent ›Lock’n’Loll‹ ausgesprochen werden. Es zeigt sich somit für den exotische Klänge erwartenden westlichen Reisenden eine Kultur, die sich auf die Bedürfnisse der Touristen eingestellt hat und durch die Vermengung westlicher Populärmusik und fernöstlicher Sprache unfreiwillige Komik erhält. Die (vom Reisenden erhoffte) Faszination wird eliminiert.

  Fazit

Vive le tour! und Bons baisers de Bangkok sind zwei kurze Dokumentarfilme, in denen sich bereits Grundprinzipien der Indien- und Dokumentarfilme Malles aus den 70er-Jahren manifestieren – die Tendenz zum cinéma direct ist in diesen Filmen angelegt. Dabei ist entscheidend, dass Malle durch Montage und Ton zwar den späteren Neutralitätsanspruch der Indien-Filme verlässt, aber eine direkte mise en scène der zu filmenden Personen vermeidet. So filmt Malle das, was ihm wichtig erscheint, fordert jedoch niemanden auf zu schauspielern. Direkter ist die Verbindung zwischen Bons baisers de Bangkok und den Indien-Filmen. Die Produktionen verbinden nicht nur die Exotik des Reiselandes, sondern auch die Themenschwerpunkte, obgleich die Aussage und die Intention des älteren Dokumentarfilms von denen der späteren abweichen.405

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Vgl. auch Malle in Mallecot (1978), S. 22: »Pour moi, ce tournage a été comme un premier jet de mon travail en Inde, des années plus tard.« (»Für mich waren die Dreharbeiten wie ein erster Strahl meiner späteren Arbeit in Indien.«)

Die Gestaltung der Tonspur bleibt sehr stark an die Zeit der Dreharbeiten und deren technischen Möglichkeiten gebunden. Malles Präferenz für den son direct ist


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