Grappellis Musik hat an dieser Grundatmosphäre des Films einen großen Anteil.
Nie wirkt sie verletzend oder bloßstellend. Trotz der Ironie, die sich aus dem
Zusammenwirken von Bild und Ton ergibt, vermag die Musik durch ihre herzlich-heitere
Stimmung und die Jazztonsprache (Swing-Gestus, Blue notes etc.) die Vorgänge und
Ereignisse zu relativieren und zu entdramatisieren, so dass zu jedem Zeitpunkt deutlich
ist, dass es zu keinerlei Klassenkampf oder blutigen Auseinandersetzungen kommen
wird.
Claude Debussy: Général Lavine ›eccentric‹ / Wolfgang Amadeus Mozart: Voi che
sapete
Anhand der folgenden Beispiele lässt sich erneut die kommentierende Funktion der
Musik im Film belegen. In beiden Fällen handelt es sich um präexistente Musik, deren
Inhalt Bezug auf die Szenen und auf die Personen nimmt. Die Musik wird jeweils von
Claire am Klavier dargeboten, wobei sie im zweiten Fall Camille begleitet, die die
Mozart-Arie singt.
Zunächst soll der Inhalt der Stücke bzw. außermusikalische Kontexte, die mit ihnen
verbunden sind, aufgezeigt werden. Anschließend wird geprüft, inwieweit sich schlüssige
Verbindungen zwischen Bildinhalt und Musik ziehen lassen.
Die Debussy-Komposition hat keinen konkreten Titel, der dem Stück überschrieben ist,
sondern ein Motto, welches sich am Ende des Notentextes befindet. Dieses weist auf die
Tatsache hin, dass der Komponist den Spieler nicht durch eine inhaltliche Vorgabe
beeinflussen wollte, sondern durch eine kleine Anmerkung am Ende eine Begebenheit
oder eine Idee andeuten wollte, die zur Komposition den Anstoß gab. Debussy wurde
im Falle des vorliegenden Préludes vom amerikanischen Clown und Zirkusdirektor
Général Edward LaVine angeregt, der im Pariser Théâtre Marigny auftrat und den
Musiker begeisterte. Verschiedene musikalische Mittel deuten auf Elemente aus der
Zirkuswelt bzw. auf clowneske Verrenkungen hin, so die Einleitungstakte (T. 1–10),
die wie eine Fanfare anmuten, die starken dynamischen Unterschiede auf kleinstem
Raum oder die großen Sprünge (T.10/18). Auch wenn es sich bei dem Prélude nicht
um Programmmusik im Sinne von Liszts oder Berlioz‘ symphonischen Dichtungen
handelt, kann es doch als eine Art musikalisches Porträt des Zirkusclowns angesehen
werden.
Inwiefern hat dieser Umstand einen Zusammenhang mit dem Bildinhalt? Malle montiert
das Prélude zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Familienmitglieder mit der veränderten
Situation arrangieren: Die Verstorbene kann nicht beerdigt werden, man sitzt auf dem
Gut fest; so vertreibt man sich die Zeit anderweitig. Während Georges sich das Radio
auf die Terrasse holt und sich in der Sonne entspannt, sitzt Pierre-Alain mit
Marie-Laure und Lily unter dem Kirschbaum und zeigt stolz seine Wunden, die er aus
den Straßenkrawallen in Paris davongetragen hat. Im Gegensatz zur allgemein
entspannten Gemütsverfassung steht Claire, die Klavier spielt. Sie ist eifersüchtig auf
ihren Cousin, der im Begriff ist, ihr die Liebhaberin auszuspannen, und zeigt
dieses sowohl mimisch als auch gestisch, indem sie die Tasten teilweise mit
übertriebener Härte anschlägt. Gesetzt den Fall, dass sie mit ihrem Klavierspiel eine
Botschaft bzw. ihre seelische Verfassung übermitteln will, lässt sich
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