- 121 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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verläuft. Dieses ist auch im Falle des Stückes Fly-tox der Fall, einer ruhigen, elegischen Komposition, von Solovioline mit Rhodes-Begleitung gespielt, die eine stille, würdevolle Trauer auszudrücken scheint. Dieses Stück wird in Segmenten montiert, in denen die Familienmitglieder von dieser Trauer nicht besonders ergriffen zu sein scheinen. Paul hat als einzige Sorge, möglichst schnell wieder nach Bordeaux zu kommen, Milou und Léonce unterhalten sich über die sterblichen Reste von Milous Vater in der Familiengruft und Camille versprüht in der Küche Insektenspray, was ihren Sauberkeitswahn unterstreicht. Der Gegensatz von musikalischem Ausdruck und Bildinhalt charakterisiert und entlarvt die Haltung der Familienmitglieder, deren teilweise falsche Frömmigkeit (Camille) nur schwer die eigentlichen Interessen (Erbschaft) kaschiert.

Deutlicher wird die Funktion des Kommentars in den Bearbeitungen Grappellis von präexistenten Stücken: La fille du bédouin und der Internationalen. Durch Verfremdung von bereits erklungenem Material erreicht Grappelli die Aufmerksamkeit des Filmbetrachters, den die Veränderung zur Reflexion anregt.

La fille du bédouin wird zum ersten Mal in Segment 53–54 montiert, wenn Georges mit der afrikanischen Maske tanzend die übrigen Familienmitglieder zu einer Polonaise um das Totenbett animiert. Diese Stelle kennzeichnet den Höhepunkt der freizügigen und lockeren Entwicklung, die sich bereits am Nachmittag angekündigt hat. Das Stück erklingt anschließend in Grappellis Version, wenn die Familie gemeinsam mit den Boutelleaus in den Wald flüchten.



Diese Karawane wird im fahlen Morgenlicht in Weitsicht im Profil gezeigt, dazu verfremdet Grappelli das Original, indem die Soloklarinette eine kleine Sekunde (statt der großen) spielt, was einer verminderten Sexte entspricht und der Musik einen orientalischen Zug verleiht (Zigeunertonleiter). Bei Einsatz von Grappellis Geige ändert sich die Stimmung; die Blue notes verleihen der Szenerie einen ironischen Anstrich, die drohende Gefahr (Einfall der Kommunisten; Nomadendasein im Wald) wird auch durch die Kommentare der Personen entdramatisiert.295

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Milou fragt Camille, ob sie das Salz mitgenommen habe, Georges fragt Lily, ob diese die Abführtabletten habe.
Die Musik zeichnet hier auf liebevolle Art und Weise ein ironisches Bild der in den vorherigen Szenen noch so begeisterten Hobbyrevolutionäre, indem sie die Expedition in den nahegelegenen Wald wie eine Beduinenkarawane erscheinen lässt. Die überstürzte Flucht in den Wald erscheint im Nachhinein als kleine Strafe für die ausgelassenen Sinnesfreuden im Zimmer der Toten und demaskiert gleichzeitig die utopischen Vorstellungen, die noch am Nachmittag ausgerufen wurden als nicht ernstzunehmende Spinnereien einer gesellschaftlichen Klasse, die ihren Lebensstandard

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