sie ›im Blicke des
Kindes liegt‹, das Malle als Schüler darstellt, und somit seine persönlichen Gefühle und
Impressionen überträgt. Dennoch darf der emotionalisierende Gebrauch der Musik nicht
für den ganzen Film generalisiert werden; diese Wirkung ist vor allem in den letzten
Szenen von Bedeutung. Es wird in der Kritik Martina Müllers deutlich, dass sich die
verstärkte Beeinflussung des Zuschauers am Ende des Films nicht nur auf die akustische
Ebene beschränkt. Sie schreibt:
»Werden die Farben zu einer unablässigen Aufforderung, den Ernst der Geschichte nicht zu verfehlen, so wird das Insert am Ende des Films zu einer Nötigung. Die Mitteilung, daß vier Personen des Films in Konzentrationslagern ermordet wurden, liest sich wie ein Gebot: Ergriffenheit und Zustimmung für den Film. Anstelle von Einsicht eine Überrumpelung, der zu widersprechen nicht erlaubt scheint. [...] Der Druck, den Malle am Ende ausübt, kann nur zu einer Lähmung führen, die verhindern könnte, genau hinzuschauen, wenn der Regisseur in seinem Film vom Faschismus erzählt, statt ihn nur herbeizuzitieren.«281
Zweifelsohne hebt sich dieser Film Malles von früheren dadurch ab, dass kein Sujet behandelt wird, welches kontroverse Reaktionen hervorrufen könnte, wie dieses der Fall bei Le Souffle au coeur, Pretty Baby oder vor allem beim (von der Zeit und dem Sujet vergleichbaren) Lacombe Lucien war. So wird die Vermeidung von plakativen Darstellungen zwecks Schaffung mehrdimensionaler Personen (siehe Joseph, Pater Jean) von der übermächtigen Ungerechtigkeit des schrecklichen Naziterror überdeckt, der nur eine Meinung zulässt, und die Frage der Schuld oder Verantwortung nicht klar genug gestellt. Verglichen mit dem 1974er Film Lacombe Lucien sagt Jean-Claude Laureux: »Pour moi, Lacombe Lucien est un film beaucoup plus intéressant parce qu’il appelle le débat. Au revoir les enfants n’appelle pas le débat – tout le monde est d’accord.«282
Die Subjektivität der Darstellung, die Malles Film am Ende annimmt, erzeugt ein
eindimensionales Gefühl beim Filmbetrachter, liegt aber wie oben bereits erwähnt in der
autobiographischen Quelle des Films und in Malles Intention, seine persönlichen
Erinnerungen zu verfilmen – dieser Aspekt muss immer beachtet werden. Dennoch
widerspricht gerade die Musikdramaturgie trotz typisch Mallescher Kennzeichnung
(auditive Charakterisierung des Ortes, Musik im On etc.) seiner Forderung, Musik
im Film dürfe nicht simpel paraphrasierend und beeinflussend angewendet
werden.
Milou en mai – der glückliche Charme der BourgeoisieNach dem unerwarteten Erfolg von Au revoir les enfants drehte Malle auch den nächsten Spielfilm in Frankreich. Inspiriert wurde er zu dem zum Zeitpunkt der |