- 70 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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über zwei Tonbandgeräte, Verstärker und Mischpult erzeugtes Zeitverzögerungs- (delay-) und Rückkoppelungs- (feedback-) System, das außer mir selbst als Bratscher drei weitere Musiker erfordert (vgl. Abb.).

Ein wesentliches Element der kompositorischen Erfindung ist das zu Anfang der Partitur gezeichnete Schaltbild: an der Viola befinden sich zwei Kontaktmikrophone, deren Information gemäß der Partitur von zwei Musikern über Filter und Regler verändert aus Lautsprechern erklingt. Gleichzeitig spielt ein dritter Musiker den Klang des einen Mikrophons, ebenfalls über Filter und Regler, in ein Tonbandgerät ein. Das Band läuft über ein zweites Tonbandgerät und gibt den Klang mit einer Zeitverzögerung von 10 sec. als Kanon wieder. Durch eine Rückkoppelungsschaltung wird der Klang des zweiten Tonbandgeräts zur Aufnahme des ersten zurückgespielt, so daß der Kanon prinzipiell unendlich wird.


Aus dem Abstand von mehr als 25 Jahren dazu einige technische und ästhetische Bemerkungen:

Die Verzögerungsschaltung über zwei Tonbandgeräte ist zu unterscheiden von der Verzögerung über einen digitalen Effektprozessor oder Sampler. Die kalte Perfektion eines digital gespeicherten und wieder abgerufenen Klangs, die damit verbundene Verdinglichung widerspricht dem schon von Charles Ives formulierten Naturprinzip der permanenten Variation: nature hates repetition and loves analogy. Durch die in einem Feedback-Kreis zusammengeschlossenen Tonbandgeräte mit ihren nicht identischen Eingangsverstärkern, Tonköpfen und Ausgangsverstärkern werden alle in diesem System vorkommenden Veränderungen des Spektrums - durch die Materialqualitäten des Tonbandes oder andere Unwägbarkeiten im Regelkreis - als selbständige Prozesse im 10 Sekunden Rhythmus sich den von mir gespielten und von den übrigen Musikern gefilterten und geregelten Klängen zugesellen. Aufgrund der prinzipiell nie erreichbaren absoluten Geradlinigkeit des Frequenzverlaufs von allen beteiligten Geräten entstehen mit jeder Rückkoppelungsrunde nichtlineare Verzerrungen, die teilweise durch die Spieler an Filtern und Reglern aufgefangen werden können, die aber bei einigen Aufführungssituationen schon in der Testphase der Probe die Aufführung als mit diesen Geräten nicht durchführbar erscheinen ließen, so daß das Stück abgesetzt werden mußte.


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