- 51 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (50)Nächste Seite (52) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


die vielleicht bislang nicht so deutlich geworden ist. Denn im Zuge der seriellen Musik redet man ja immer von Tonhöhenreihen, Lautstärkereihen, Zeitreihen und dergleichen mehr, meinetwegen auch von Klangfarbenreihen. Zuweilen wurde auch noch der Raum definiert, aus dem der Klang kommt, und in eine serielle Konstruktion aufgenommen. Im elektronischen Studio hatte das serielle Denken, losgelöst von seinen ursprünglich innermusikalischen Implikationen, eine sehr notwendige, sehr direkte Ordnungsfunktion. Ich habe mir einmal - zur Illustration dieser Arbeitsumgebung - vorgestellt, daß ein Komponist bei der Vorbereitung einer Komposition im elektronischen Studio tätig ist, indem er für den Außenstehenden völlig unbegreifliche Dinge tut. Er mag zuweilen sogar im Zweifel sein, ob, was er tut, richtig ist. Aber während er in dieser surrealen technischen Umgebung wirtschaftet, etwa wie Feussner in Kagels Film,

Solo (1967)

hinterläßt der Komponist Spuren. Und diese Spuren erkennen wir später als Musik. Er hat sich in musikalisch sinnvoller Weise in seinem Labyrinth der Röhren und Apparate benommen, wobei ihm als Wegweiser oder Kompaß so etwas wie ein serielles System geholfen haben mag. (Ich gebe Ihnen Erinnerungsbilder, denn das, worum es mir hier geht, sind autobiographische Erfahrungen, die kaum anders auszudrücken sind.)

Innerhalb eines elektronischen Studios ist es unausbleiblich und auch von den Komponisten als sehr wünschenswert erfahren worden, Experimente ohne Zeitdruck machen zu können. Aufführungstermine drohten in aller Regel nicht, es gab nur die Sicherheit, daß das fertige Stück gelegentlich in einem Konzert der "Musik der Zeit"-Reihe oder, wenn das nicht ging, wenigstens in einem der Nachtprogramme von Herbert Eimert aufgeführt werden würde. Der mangelnde Zeitdruck lud - neben den sich aufdrängenden musikalischen Problemen - zu experimentellen Verfahren ein. Andererseits wurde der Drang zum Experiment auch von der seriellen Denkweise außerordentlich stark unterstützt, weil in ihr weiträumig theoretische Vorarbeiten geleistet werden können, die man nicht einzeln am Klang ausprobieren muß. Die Figur des Komponisten am Klavier, unter normalen Umständen schon zuweilen belächelt, wäre im elektronischen Studio völlig absurd gewesen.

Auch meine eigenen Versuche im elektronischen Studio haben experimentellen Charakter gehabt. Eines meiner Stücke hieß Essay,

Partitur erhältlich im Pfau-Verlag, Saarbrücken

ein Titel, der den Versuchscharakter absichtsvoll andeutet. Ein anderes, etwas später komponiertes Stück heißt Terminus. (Eine der drei Versionen dieses Werkes werden wir morgen im Konzert hören.) Mit diesem Titel wollte ich sagen, daß es sich um das letzte Stück einer Versuchsreihe handeln würde, dessen Ende sich so deutlich angekündigt hatte, daß ich darauf verzichtete, in der gleichen Richtung noch weiterzusuchen. Ich glaubte, damit die technische Grenze des klassischen elektronischen Studios erreicht zu haben.

Ich habe mich ja, das sollte ich nicht unerwähnt lassen, nie dazu verleiten lassen, musikalische Ideen, die sich nicht aus den technischen Umständen des Studios erge-


Erste Seite (3) Vorherige Seite (50)Nächste Seite (52) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 51 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II