- 247 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Um die Abbildung  mit den Vertrauensintervallen zu versehen, reicht es, in der Befehlszeile den Zusatz "U0,2" (d. h. eine Ungenauigkeit von bis zu 0,2 Sekunden für jedes Zeitintervall) einzugeben.

Als Beispiel für die pädagogischen Perspektiven der graphischen Interpretationsforschung sei hier noch eine Passage aus meiner praktischen Arbeit mit Studenten an der Universität Freiburg gezeigt. Wenn ein Pianist ein kurzes Stück oder eine Passage eines Werks auf dem Disklavier einspielt, läßt sich das Eingespielte mit Hilfe meiner Software mit relativ geringem Aufwand so bearbeiten, daß die Zeitstrukturen graphisch dargestellt und analysiert werden können. In einem Seminar im Wintersemester 1992/93 spielte ein Klavierstudent folgende Phrase auf dem Disklavier zweimal ein, wobei er (ohne etwa über meine Tempobogentheorie oder andere Erkenntnisse der experimentellen Interpretationsforschung vorher etwas gehört zu haben) einmal mechanisch-langweilig und einmal "musikalisch" zu spielen versuchte.

Das Ergebnis spricht wohl für sich selbst. Zur Grundlage der Analyse wurden jeweils die Töne der linken Hand genommen, die Datenverarbeitung von der Einspielung bis zur fertigen Graphik nahm für beide Aufnahmen zusammen etwa 20 Minuten in Anspruch. (Den größten Teil der Zeit nimmt dabei die Datenselektion, also das Löschen der für die Analyse nicht notwendigen Daten in Anspruch.)

Zur Orientierung ist der Tonname bei jeder ersten von vier Sechzehnteln beibehalten, während die anderen Tonnamen entfernt wurden. Als Meßungenauigkeitswert ist hier ±0,004 Sekunden für den einzelnen Zeitwert (also ±0,008 für das einzelne Zeitintervall) angegeben, was der Datenauflösung der Disklavier-Aufnahme entspricht. (Es liegen mir noch keine Untersuchungen darüber vor, ob die tatsächliche Meßungenauigkeit der Datenauflösung entspricht.)

Der Pianist selbst war überrascht, daß in den Zeitstrukturen überhaupt ein Unterschied zu erkennen war, da er selbst nur dynamische Unterschiede zu machen meinte. Die Abbildung, die nur den Tempoverlauf wiedergibt, zeigt, daß die "musikalische" Version den Aufbau der Phrase durch Bogenbildung ganz klar und plastisch wiedergibt, während die "unmusikalische" Version nahezu indifferent bleibt. Die Erkenntnis von der Bedeutung agogischer Strukturen wirkten für den Pianisten äußerst stimulierend, und ich denke, daß jedem Musikstudenten ein gewisses Maß bewußter Durchdringung des eigenen Tuns nur nützlich sein könnte.

Zum Schluß des Vortrags habe ich eine kurze eigene Komposition für Disklavier vorgeführt, die unter anderem aus meiner Arbeit mit Graphiken hervorging. Interessenten können mich wegen einer Aufnahme oder einer Diskette von dieser Komposition kontaktieren.

Hier sei nur die rhythmische Struktur dieser Komposition beschrieben, die dem Prinzip der Tempobogenüberlagerung folgt, allerdings in ungleich extremerer Form, als es Interpretationen klassischer Musik tun. Dem liegt ein interessanter zahlentheoretischer Sachverhalt zugrunde. Dazu zunächst einige Definitionen.


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