- 12 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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(...) daß die technische Datenverarbeitung keine Kunst ist, heißt ja nicht umgekehrt, daß die Künste keine Techniken gewesen wären (...) Die Frage lautet (...), welche Techniken historisch und ästhetisch an der Stelle gestanden haben, die heute durch Elektronik besetzt wird.      

Friedrich Kittler, Fiktion und Simulation, in:

Ars Electronica, Berlin 1989, S. 58


Untersuchungen zu den unterschiedlichen historischen Aspekten von Kunst und Technik gibt es etwa von Ferruccio Busoni, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno; aktuelle von Vilém Flusser, Paul Virilio, Friedrich Kittler, Jean Baudrillard u.v.a.

Beispiele aus der Geschichte der Musikinstrumente, wie etwa die Entstehung des Ventilhorns oder der Wagnertuba, belegen den Zusammenhang von Entwicklungen innerhalb der Kunst mit technologisch-gesellschaftlichen Prozessen auf der Herstellungsseite. Ein interessantes Beispiel sind die Etudes pour le pianoforte von Franz Liszt, die in einer einfachen frühen (1826) und zwei voll auskomponierten, späteren Versionen (1838 und 1851) vorliegen und unmittelbar auf die sprunghafte Entwicklung im Klavierbau gegen Ende des letzten Jahrhunderts (Verwendung gespannter Stahlrahmen) reagierten. Weitere ähnliche Beispiele finden sich in der Übergangsperiode vom Cembalo zum Hammerklavier etc.

Dieser über Jahrhunderte gültige Regelkreis zwischen Tradition und Fortschritt, Instrumentenbau und Produktivkraftentwicklung, Spieltechniken und Handwerk, Interpret und

Komponist usw. existiert durch die marktwirtschaftlich-industrielle Produktionsweise und die moderne Medienlandschaft so ungebrochen heute nicht mehr bzw. funktioniert nach anderen, den heutigen Produktions- und Gesellschaftsformen angepaßten Kriterien.

Es gibt jedoch interessante Ausnahmen - eine große Gruppe von Instrumenten (im weitesten Sinn), deren Entwicklung besonders mit dem zweiten Teil des Themas, der neuen Technik, eng verbunden ist, auf die dieser Regelkreis nie ausschließlich zugetroffen hat: die der Automaten und mechanischen Musikinstrumente.

Diese, lange Zeit als naive Spielerei abgetane, facettenreiche Familie scheint mir nahe verwandt mit unseren heutigen (Musik-) Computersystemen. Beide spielen sie eine innovative Außenseiterrolle mit Bezügen zu einerseits archaisch-mythischen, andererseits utopischen, technologisch-progressiven Tendenzen.

Die Geschichte der musikalischen Automaten ist sehr alt. Im Talmud werden Äolsharfen als "automatische Musikinstrumente" beschrieben; es gibt Konstruktionszeichnungen für selbstspielende Orgeln aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Seit dem 16. Jahrhundert sind - mehr oder weniger - automatisierte (mechanisierte) Musikinstrumente bekannt. In den Gärten des Papstpalastes finden sich schon im 17. Jahrhundert durch Wasser oder Wasserdampf betriebene, vollautomatische stiftwalzengesteuerte Orgeln neben singenden mechanischen Vögeln und anderen kleinen "nicht-natürlichen"


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