Eine solche Verflachung sah Schläbitz nicht, er wies darauf hin, dass jedes neue
Medium von solchen Verlustbeschreibungen begleitet wurde. Bereits Platon habe mit
dem Aufkommen der Schrift beklagt, dass das Wissen nicht mehr direkt in dem
Menschen lebe, sondern über Fremdbeschreibungen vermittelt werde. Die Kirche
habe sich vehement gegen den Buchdruck gewehrt, weil die damit entstehende
Meinungsvielfalt ihre Autorität untergrabe. Allerdings gab er auch zu bedenken, dass der
Begriff
global village eine Heimeligkeit und Übersichtlichkeit suggeriere, obwohl er doch
nur beinhalte, dass man den anderen schnell erreichen könne. Durch die Komplexität der
Vernetzung sei aber keine Übersichtlichkeit mehr gegeben, sondern im Gegenteil eine
absolute Unübersichtlichkeit.
Emmerson pflichtete dem bei, indem er sagte, dass er unter einem global village
eigentlich ein Dorf verstehe, in dem jeder jeden kenne, in diesem global village jedoch
kenne man niemanden mehr. Um die Unübersichtlichkeit, die nicht mehr zu
durchschauende Vielfalt der Möglichkeiten zu illustrieren, wählte er das Bild des
schottischen porridge: wenn man alles vermische, erscheine alles nur noch grau. Er regte
an, Zentren mit einer stark ausgeprägten Weltanschauung zu bilden, welche in ihrer
Pluralität es dem Individuum ermöglichten, verschiedene Perspektiven zu wählen, aber
das Entstehen eines porridge verhindern.
Mazzola warnte vor einem negativen Effekt der Globalisierung, nämlich dass
die „intercontinental breakfast-Kultur“ die regionalen musikalischen Idiome
bedrohe. Andererseits sieht Knolle auch die Chance, dass sich musikalische Szenen
etablieren können, die kommerziell keine Chancen hätten. Enders befürchtete
jedoch, dass das Internet in Zukunft kommerzieller werde und die Illusion der
totalen Demokratie und Anarchie – im positiven Sinne – des Internets zerstören
wird.
Machtstrukturen
Bereits in seinem Eingangs-Statement hatte Mazzola provokativ gefragt, ob die Welt des
Internet nicht durch das freie Spiel der Kräfte derjenigen, die die Macht dazu haben,
versklavt wird.
Schläbitz widersprach dem. Er glaube nicht daran, dass es einerseits Mächtige gebe
und andere, die nur folgsam hinterhertrotten, sondern stellte dem die These
entgegen, das Medium sei durch die Vernetzung so komplex, dass die Wege der
Kommunikation nicht mehr lenkbar seien. Merck stimmte ihm zu, dass man das
Internet nicht als Machtinstrument nutzen könne, das bekomme man nicht in den
Griff.
Enders nannte hierzu bekräftigend als Beispiel, dass Nachrichten nach China, Bosnien
oder Serbien eben nicht einfach von bestimmten Machtgruppen abgefangen werden
könnten. Das sei durch die dezentrale Struktur des Netzes nicht möglich, die – früher
u. a. aus militärischen Gründen – bewusst so geplant sei.
Selbst mächtige Großkonzerne, so illustrierte Schläbitz an einem Beispiel, haben
nicht die Macht, die Zukunft des Netzes zu beherrschen. In Anspielung auf die
Entwicklung des Apple-Computers in einer Garage sprach er von „virtuellen Garagen“,
in denen Ideen entwickelt werden, die sogar Microsoft in die Knie zwingen
können. Es sei nicht mehr so, dass die Großen die Kleinen fressen, sondern die
Schnellen die Langsamen, und je größer etwas werde, desto langsamer werde es
auch.