Kritische Diskussion moderner Multimedia-Software für
Musiktheorie, Musikwissenschaft und Musikpädagogik
Reinhard Kopiez
Zusammenfassung
Die Entwicklung der Computertechnik hat in den letzten 10
Jahren auch neue Software-Anwendungsmöglichkeiten für den
Bereich der Musikpädagogik und Musikwissenschaft ermöglicht.
So existiert mittlerweile ein breites Angebot an Programmen
für Gehörbildung, Werkanalyse oder Audioanalyse. Die meisten
kommerziellen Programme eignen sich jedoch nur bedingt für den
professionellen Ausbildungsbereich, wie z. B. an einer Hochschule,
da sie entweder an den Anforderungen der Nutzer vorbeigehen
oder diese unterfordern. Das den Herstellern von Musikelektronik
und Musiksoftware offensichtlich unbekannte Nutzerprofil schlägt
sich auch in den Hardwareprodukten nieder, wie z. B. in technisch
undokumentierten Prozessen. Als Lösung für diese Situation wird (a)
die Suche nach aufgabenspezifischen Sharewareprogrammen und (b)
das Erlernen von Programmier-Grundkenntnissen vorgeschlagen.
Einleitung
1996 erschien in der Zeitschrift Musica ein Artikel von mir mit dem Titel „Mensch – Musik –
Maschine. Neue Informationstechnologien und ihre Bedeutung für Musikvermittlung und
Musikwissenschaft“.1
- Reinhard Kopiez (1996). Mensch – Musik – Maschine. Neue Informationstechnologien und ihre
Bedeutung für Musikvermittlung und Musikwissenschaft. Musica, 50(1), S. 20–26.
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In dem damaligen Beitrag versuchte ich, die Entwicklungstendenzen der zur Musikvermittlung
im weitesten Sinne nutzbaren Software und ihre Anwendungsmöglichkeiten zu
überprüfen. Ich äußerte in dem Artikel die Prognose, daß die multimediale
Vermittlung von Musik und von Wissen über Musik in den nächsten Jahren alle damit
befaßten Institutionen durchdringen und verändern würde. Ich äußerte auch die
Forderung, daß sich die akademische musikwissenschaftliche und musikpädagogische
Ausbildung diesen neuen Vermittlungsformen öffnen müsse, sollen ihre Absolventen
„berufstauglich“ sein und wollen sie dies Feld nicht gänzlich den Informatikern oder
Softwareingenieuren überlassen. Damals hatte ich mehr die Ausbildung von
Musiklehrern und Musikwissenschaftlern an Hochschulen im Blick als die Anwendung im
Laienbereich oder im Bereich der allgemeinbildenden Schulen. Als Lehrer und
Wissenschaftler habe ich an dieser professionellen Anwendung natürlich ein
dominierendes Interesse, ohne daß ich den interessierten Laien aus dem Blick verlieren
werde. Da mehr als drei Jahre im Softwarebereich eine lange Zeit sind, halte
ich es für lohnenswert, aus der zeitlichen