Es ging bis zum Ende im gleichen Stil weiter. Fast eine halbe Stunde wurde für Leseversuche
verwendet. Jede der vier Stimmen wurde einzeln, unter Führung der Geige, auf Worte
durchgesungen. Wiederholungen waren häufig. Die zweiten Bässe mit ihren tiefen und weichen
Stimmen, denen zuzuhören eine Freude war, hatten viel Mühe mit der Schlußkadenz:-

Statt der mit Sternchen bezeichneten Töne hielten die Bässe E C durch. Es hatte früher eine
Kadenz mit diesen Tönen gegeben, und die alte Phrase schien in ihren Ohren nachzuklingen.
Mal für mal führte die Violine sie durch die Stelle und kratzte richtige Töne gegen ihre falschen,
- eine Sekunde daneben. Die anderen Schüler fingen an zu gaffen und blickten gelangweilt. Das
Singen muß wesentlich Gehörsingen gewesen sein, sonst hätte ein solcher Irrtum und eine solch
seltsame Hartnäckigkeit nicht entstehen können. "Langeweile ist eine kardinale Sünde im
Unterricht", sagt Herbart, der große deutsche Pädagoge. In der Klasse gab es viel Langeweile,
während dieses Stück geprobt wurde. Ich fragte hinterher, ob viele dieser Jugendlichen aus
Dorfschulen kämen, wo Musik möglicherweise vernachlässigt würde; aber die Antwort war,
daß sie fast alle Hamburger waren. Wie gesagt, hatten die Burschen weiche und reiche
Stimmen und ein Gefühl für das Singen, aber ihre Notenlesefähigkeit war praktisch null. Das
Mehr erweist sich als das Wenigere. Diese Burschen waren mit sieben in die Schule
gekommen. Jetzt waren sie achtzehn. <27> Wenn elf Jahre zu diesem Ergebnis führten, würde
eine kürzere Zeit zu noch weniger geführt haben. Sie hatten allerdings keine geistige
Richtschnur, wie sie das relative do bietet. Wie dachten sie die Töne? Wir haben drei