die Kontrolle
darüber ab, was während des Werks passiert. Eine Ähnlichkeit zu Dialtones
ist insofern gegeben, als dass dort die Telefon-Kommunikation in dem Sinne
ad absurdum geführt wurde, dass das Publikum zwar angerufen wurde, aber
nicht an die klingelnden Handys gehen sollte. Bei Wählt die Signale! ist diese
Absurdität genau umgekehrt, die Teilnehmenden rufen Mobiltelefone an, die
dann laut klingeln, an denen aber niemand abnimmt. Bei Dialtones wurde
das Publikum angerufen – bei Wählt die Signale! ruft es an. Das Werk ist
auch in der Tradition von Radiokunst zu sehen. Es erinnert an die Werke des
Klangkünstlers Max Neuhaus: Public Supply (1966) oder Radio Net (1977)
experimentieren in musikalischer Form mit dem öffentlichen Zugriff auf den
Äther.87
Föllmer, Golo: Musikmachen im Netz. Elektronische, ästhetische und soziale Strukturen einer
partizipativen Musik. Dissertation Universität Halle-Wittenberg, 2002, S. 70 ff.
|
5.4.3. Gesellschaftlicher Diskurs: Individualität und Kollektivität
Das Handy wird allgemein als das typische Medium des individualistischen
Zeitalters charakterisiert, es scheint ein ideales Phänomen der Individualisierung
der Gesellschaft zu sein. Ein Mobiltelefon gehört immer nur einer Person, im
Gegensatz zum Festnetzanschluss, der üblicherweise von einer Familie oder
einer Wohngemeinschaft geteilt wird. Da es nur einen Besitzer hat, kann dieser
das Gerät nach seinen Vorstellungen gestalten. Man überlegt sich lange für
welches Modell man sich entscheidet. Man kann sich einen eigenen Klingelton
einstellen, ein spezielles Logo auf dem Bildschirm haben. Bei vielen Geräten
kann auch die Oberschale ausgewechselt werden, um das Mobiltelefon von den
Standardmodellen abzuheben. Diese Personalisierung des Handys zeigt an wie wichtig
den Menschen ihr Mobiltelefon geworden ist. Es stellt nicht mehr nur die Verbindung zu
unseren Freunden her, es ist selbst unser Freund geworden, um dessen Verlust wir
trauern.88
Sein Verlust ist oft schlimmer als das Verlieren des Portemonnaies, weil
so viele persönliche Informationen und Kontakte zu Freunden verloren
sind.89
Auch ein leerer Handyakku ist oft schon eine mittlere Katastrophe: Wenn die Energie ausgeht
ist keine Kommunikation mehr möglich, es droht ein »kleiner sozialer Tod«. Richard, Birgit:
Die oberflächlichen Hüllen des Selbst. Mode als ästhetisch-medialer Komplex. In: Richard,
Birgit (Hg.): Die Hüllen des Selbst. Mode als ästhetisch-medialer Komplex, in: Kunstforum
International, Band 141, Juli-September 1998, S. 94
|
Die lange Zeit, die mit ihm und seiner Personalisierung verbracht wurde, die lange Zeit,
die es in unserer Hand und Nähe verbrachte macht diesen Verlust schon fast physisch
spürbar.90
Mehr zur Köpernähe des Handys, zum Mensch mit seinem Handy als Cyborg vgl. Kapitel
5.5.3
|
Wie ein Tamagotschi,
das gefüttert werden muss,91
bekommt das Handy ständig unsere Aufmerksamkeit. Das Handy ist der alltägliche
Begleiter des individuellen, mobilen Menschen. Im Werk Wählt die Signale!
kann man aber einen gänzlich anderen Gebrauch des Handys beobachten: Das
Handy wird dazu genutzt gemeinsam
|