Handymusik ist häufig am Schnittpunkt zwischen Hoch-, Populär- und
Alltagskultur anzusiedeln und Werke der Handymusik spielen auch ganz bewusst
mit dieser Schnittstelle. Zunächst sind Handys technische Geräte, mit denen
inzwischen weit mehr als nur mobile Kommunikation möglich ist. Außerdem
sind sie zu einem festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Viele besitzen
ein Handy und Handyklingeltöne sind in jeder passenden und unpassenden
Situation zu vernehmen. Mit dem Abspielen bekannter Popmelodien oder auch dem
Jammen wird das Handy zum Instrument der Populärkultur: Es ist hip, seine
Lieblingsmelodie aufzunehmen und für andere abzuspielen. Werke der Handymusik, wie
Dialtones6
Dialtones von Golan Levin wird in Kapitel fünf ausführlich vorgestellt.
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oder
Wählt die Signale!,7
Wählt die Signale! der Gruppe Ligna wird in Kapitel 5.4 ausführlich vorgestellt
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greifen diese Phänomene auf und positionieren sie bewusst in Institutionen der
Hochkultur wie Museen oder Konzerthallen. Auch mit der Anbindung an die Tradition
der Klangkunst, die der E-Musik beziehungsweise der zeitgenössischen Kunst zuzuordnen
ist, verortet sich die Handymusik in der Hochkultur. Gleichzeitig werden in den Werken
nicht nur veränderte Alltagspraxen und die Bedeutung populärer Musik in unserer
Gesellschaft thematisiert, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit der
Verbreitung des Handys einhergehen wie etwa, dass private Gespräche zunehmend im
öffentlichen Raum geführt werden.
Allerdings gibt es trotz oder gerade wegen der Aktualität dieser Thematik noch
kaum Literatur über Handymusik. Die Auswertung meiner breit angelegten
Literaturrecherche machte deutlich, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
dem Handy noch in den Kinderschuhen steckt. Mitte der 90er Jahre fanden
sich vor allem Veröffentlichungen zu technischen Aspekten des Mobiltelefons
und –funks. Populärwissenschaftliche Bücher folgten, die vor allem euphorisch
die neuen Möglichkeiten der anbrechenden mobilen Ära besprachen. Seit etwa
zwei Jahren finden sich auch vermehrt sozialwissenschaftliche und soziologische
Untersuchungen des Phänomens Handy. Dem Teilbereich Short Messaging Service (SMS)
widmen sich zudem ausgesuchte geisteswissenschaftliche Publikationen. Zur
künstlerischen Praxis mit dem Handy, zu seinem Einsatz in Kunst und Musik, gibt es
keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Zeitschriftenartikel und Artikel aus
dem Internet, die jene Künstler in das Blickfeld rücken, die mit dem Handy
arbeiten, werden aber immer häufiger publiziert. So gut wie die gesamte –
wissenschaftliche wie nicht wissenschaftliche – Literatur stammt aus dem anglophonen
Raum.
Da Musiker in der Handymusik die Veränderungen der Gesellschaft durch das
Handy8
Nach McLuhan haben Veränderungen der Medientechnologie Veränderungen in der
Gesellschaft und Kultur zur Folge. Vgl. McLuhan, Marshall: Understanding media. The
Extensions of man. London 2001 (amerikanisches Original 1964)
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mit dem Medium selbst thematisieren, setzt das Verständnis von Handymusik zunächst
ein Verständnis des Mediums als solchem voraus. Um Werke der Handymusik zu
verstehen, muss weiter auf das Phänomen der Klingeltonkultur eingegangen
werden.
Den Kern der Arbeit bilden fünf Werkbeschreibungen von Handymusik. Neben dem
eingangs erwähnten Werk Dialtones von Golan Levin, wird Wählt die Signale! der
Gruppe Ligna beschrieben, Kadoum von Manneke, sowie Text.FM von Matthew Fuller
und Graham Harwood und zuletzt Nanoloop von Oliver Wittchow. Bei jeder Arbeit wird
zunächst der technische Aufbau beschrieben, anschließend
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