1. Einleitung
»You see, mobile phones aren’t just phones any more – they’re tools, they’re
toys, they’re art, and they’re everywhere.«1
In der andächtigen Stille des Konzertsaals klingelt plötzlich ein Handy. Weitere
Handyklingeltöne gesellen sich dazu, bis schließlich in den Zuschauerreihen 200 Handys
laut klingeln. Diese völlig absurd erscheinende Situation war wohlinszeniert
– es handelte sich um das Konzert Dialtones. A Telesymphony. Handys,
die mir bis dahin als an allen möglichen und vor allem unmöglichen Orten
klingelnde Lärmquellen hauptsächlich unangenehm aufgefallen waren, waren hier
die Grundlage eines musikalischen Werks. Mein Interesse am Handy und den
dazugehörigen Klingeltönen war geweckt und fokussierte sich schließlich auf die
Frage, in welchem Umfang das Handy bereits als Instrument Verwendung findet
und in welcher Form es in der Klangkunst eingesetzt wird. Im Rahmen meiner
Recherche zum Thema Handymusik stieß ich auf über 100 Werke und Projekte von
Künstlern,2
Aus Gründen der Einfachheit und sprachlichen Flüssigkeit wurde in dieser Arbeit darauf
verzichtet, bei Personenbezeichnungen stets die weibliche neben der männlichen Form zu
nennen. In der Regel wurde die männliche Form gewählt, wie es unserem Sprachverständnis
(leider) noch immer am ehesten entspricht. Die maskulinen Begriffe Künstler, Musiker,
Teilnehmer usw. bezeichnen also, wenn es nicht um eine bestimmte Person geht, immer sowohl
männliche als auch weibliche Angehörige der jeweiligen Personengruppe.
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die mit dem Handy arbeiten. Aber lediglich bei einem Zehntel der Werke handelte es
sich um Handymusik.
Welche gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen hat das kleine, sich schnell
verbreitende Kulturwerkzeug schon hervorgerufen? Menschen spielen mit Hilfe des Handys
Pong3
auf dem Pixelbildschirm der Fenster eines Hochhauses in Berlin. Nach der Uhrzeit
gefragt, wird das Handy gezückt. Eine gemütliche Kneipenrunde wird immer wieder
durch das Abspielen von Loops (einem ›polyphon‹ klingelnden Handy) untermalt,
die Hälfte der Runde ist mit Blick und Daumen auf das Handy fixiert (SMS).
Kinder sitzen beieinander und versuchen mit den Klingeltönen ihrer Handys zu
jammen.4
Lüneburger Innenstadt, eigene Beobachtung im Herbst 2002
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Im Radio werden
Klingeltoncharts gespielt.5
Vgl. Reischl, Georg und Sundt, Heinz: Das vierte W. So leben wir mit dem Handy der
Zukunft. Wien 2000, S. 139
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Diese unvollständige Aufzählung von Phänomenen zeigt den Einfluss des Handys auf
Gesellschaft, Kultur und Musik, und damit seine Bedeutung für die kulturwissenschaftliche
Forschung. Die geschilderten Phänomene verweisen auf einen Trend, technische Geräte
aus ihrem ursprünglichen Kontext zu lösen und kreativ sowohl in den Alltag als auch in
die Kunst zu integrieren.
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