ZusammenfassungZbigniew Preisners Musik zu Krzysztof Kie An der Musik fallen zunächst die langgesponnenen melodischen Linien auf, die – vielfach unbegleitet – von einer Klarinette, einer Oboe oder einem Englisch-Horn »gesungen« werden. Preisners Musik strahlt eine große innere Ruhe aus, denn er nimmt sich innerhalb seiner melodischen Phrasen viel Zeit, um einzelne Klangfarben, Töne und Intervalle bis ins Letzte auszukosten. Hinzu kommen zahlreiche gliedernde Pausen, die den Solo-Instrumenten ein Ausklingen im stark verhallten Raum ermöglichen. Der lyrisch-melancholische Grundton kommt vor allem in der eher kammermusikalisch angelegten Musik zu Weiss zur Geltung. Ihm gegenüber steht der opulente chorsinfonische »Song for the Unification of Europe«, der in Blau zum Handlungsträger wird und so direkten Einfluss auf die Gesamtdramaturgie des Films nimmt. Trotz des Einsatzes eines Tangos in Weiss und eines Boleros in Rot als musikalisch-rhythmische Grundsubstanz ist der zutiefst polnische bzw. slawische Ton in Preisners Musik nicht zu überhören. Dies liegt nicht nur an der oft verwendeten Zigeuner-Moll-Tonleiter – dem Inbegriff slawischer Musik – und der Bevorzugung eher dunkler Klangfarben, sondern auch an der Instrumentation sowie am Gestus der lyrischen Tonfolgen und ihrem sehnsüchtigen Auf- und Abschwingen. Gerade die fragmentarische, episodenhafte Verwendung der Musik verweist auf ihre filmisch-funktionale Herkunft. Zugleich gibt sie Aufschluss über eine enge Verknüpfung von Akustik, Optik und Szenerie in der Gesamtdramaturgie der einzelnen Filme. Diese wurde in den Kapiteln 4.1, 4.2 und 4.3 nachgewiesen. Bei den Analysen hat sich herausgestellt, dass Preisners Musik vielschichtig angelegt ist. Sie wirkt zugleich auf der semantischen, psychologischen sowie syntaktischen Ebene: Der Musik in Blau kommen besonders stark ausgeprägte semantische Funktionen zu, da sie die Dramaturgie als Kristallisationspunkt der Handlung maßgeblich bestimmt. Neben dieser semantisch-reflexiven Funktion drückt sie aber gleichzeitig auch Gefühlszustände und Stimmungen der Protagonisten aus, liefert eine geographische Deskription (semantisch-denotativ) und dient gleichzeitig zur Stimmungsuntermalung (semantisch-konnotativ). In allen drei Filmen werden die einzelnen Themen fast leitmotivartig in Bezug zu den Protagonisten und ihren jeweiligen Empfindungen gesetzt: Musik als Spiegel der Seele – ein akustisches Abbilden, die Verklanglichung von Gefühlszuständen. Dementsprechend kommen der Musik gleichzeitig psychologische Funktionen zu. An dieser Stelle sei besonders auf die affirmative Wirkung hingewiesen, die beim Zuschauer die Glaubhaftigkeit der filmischen Realität im Sinne einer emotionalen Identifizierung bewirkt. Darüber hinaus löst die Musik als Reizmoment beim Zuschauer zunächst begriffslose Affekte aus, die dann von diesem auf die optisch konkreten Bilder projiziert und somit greifbar werden (affizierende Funktion). Neben den genannten Funktionen wirkt die Musik ebenso auf der syntaktischen Ebene. Dies lässt den Musikeinsatz in den Filmen besonders artifiziell erscheinen. In fast jedem Take sind Musik und Bilder sehr kunstvoll geschnitten. Zum einen trennt die Musik gliedernd einzelne Einstellungen, Segmente oder Sequenzen, zum anderen werden diese durch sie miteinander verbunden. Es hat sich herausgestellt, dass die Musik sogar innerhalb einzelner Einstellungen solche syntaktischen Funktionen erfüllt. Ferner dient sie auch zur Spannungssteigerung oder setzt musikalische Interpunktionen. Ein solch exaktes Zusammenspiel der akustischen und visuellen Ebenen wird vor allem durch die bereits erwähnte phrasenhaft-melodische Struktur der Musik ermöglicht. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – drei Themen, drei Farben, drei
unterschiedliche musikalische Grundsubstanzen: drei Filme, entstanden in einer
französisch-polnisch-schweizerischen Co-Produktion. Durch die gemeinsame Arbeit an
der Trilogie wurde ein Schritt auf dem Weg zur »Unification of Europe« getan.
Dabei stellen die Ideale der Französischen Revolution ebenso die Eckpfeiler einer
gesamteuropäischen Ordnung dar. Kie
Anhang A
|
1 Diese Filmographie ist im Wesentlichen aus (Stok, 1993, S. 237) übernommen. Sofern deutsche Titel der Filme bekannt sind, stammen sie aus Reichow (1979). Soweit bekannt bzw. vorhanden, werden zu jedem Film folgende Angaben gemacht: Filmkategorie, Drehbuch, Kamera, Musik, Produktion, Material und Filmdauer. |
Dokumentarfilm | |
Drehbuch: | Krzysztof Kie![]() |
Kamera: | Zdzis![]() |
Produktion: | Filmschule Lodz |
35mm schwarz/weiß | |
5min 45sec | |
Dokumentarfilm | |
Drehbuch: | Krzysztof Kie![]() |
Kamera: | Lechos![]() |
Produktion: | Filmschule Lodz |
35mm schwarz/weiß | |
6min | |