- 37 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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zu betrachten und bietet daher auch eine Grundlage für die computergestützte Modellierung musikalischer Prozesse.7

3.1.2.  Gruppierung und Periodizität

Es herrscht unter Psychologen weitgehende Einigkeit darüber, daß die auditive Rhythmuswahrnehmung von zwei Funktionen abhängt, von der Gruppierung von Ereignissen, d.h. der Bildung rhythmischer Motive, und von der Erkennung von Regelmäßigkeiten, d.h. eines Metrums. Allerdings wird die Bedeutung dieser beiden Funktionen von verschiedenen Autoren unterschiedlich eingeschätzt8

. Fraisse spricht in diesem Zusammenhang von Patterns of Time, d.h. metrischen Periodizitäten, und Patterns in Time, d.h. konkreten Ausprägungen von Rhythmen.9 Die erkannten Muster werden zu größeren Sinneinheiten wie Phrasen oder Themen strukturiert.

Für empirische Untersuchungen sind verschiedene Ansätze verfolgt worden. Das vom Komponisten intendierte Metrum ist im allgemeinen in Form einer Taktart und Tempobezeichnung vorgegeben und auch von der Wahrnehmungsseite, z.B. indem Versuchspersonen beim Hören von Musik mitklopfen, relativ leicht empirisch zu ermitteln. Allerdings werden bei empirischen Studien meist synthetische Hörbeispiele statt musikalischer Werke verwendet. Dagegen ist die Gruppierung in der Musik häufig nicht klar vorgegeben und auch empirisch schwieriger zu bestimmen, weil die Segmentierung sich nicht unmittelbar meßbar äußert. Von Versuchspersonen wird meist eine sprachliche Formulierung der wahrgenommenen Gruppierungen gefordert, womit bereits eine bewußte Verarbeitung des Wahrgenommenen vorausgesetzt wird.

3.1.3.  Gestalt

Ein weiterer Gegenstand der Wahrnehmungspsychologie ist das Phänomen der Gestalt, d.h. zusammengesetzter Einheiten der Wahrnehmung, wie etwa melodischer Figuren oder optischer Formen, die als Ganzes wahrgenommen werden. Hier ist von Interesse, wie verschiedene Reize zu einem wahrgenommenen Ganzen zusammengefügt werden. Gerade bei Rhythmen zeigt sich, daß einzelne Noten wenig Informationen beinhalten. Erst die Relationen mehrerer Noten zueinander machen eine musikalische Qualität aus. Diese Qualitäten sind Gegenstand der Gestaltpsychologie. Seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts untersuchen Gestaltpsychologen, wie die Qualitäten dieser Relationen beschaffen sind und welchen Regeln sie folgen. Das bekannte Wort von der Übersummenhaftigkeit der Teile in der Gestalt ist gelegentlich auch so interpretiert worden, daß das Übersummenhaftige sich nicht benennen oder erklären ließe. Diese Art Metaphysik steht allerdings in deutlichem Widerspruch zu einem naturwissenschaftlichen Ansatz, wie Eichert, Schmidt und Seifert zu Recht kritisierten.10


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