Vor der Kamera 17 Anteil an Nutzern, welche die Aufzeichnungen statt der Präsenzveranstaltung nut-zen, liegt nach unseren Erhebungen bei rund 27 %. In dieser Zahl sind aber auch diejenigen enthalten, die wegen einer Überschneidung von Veranstaltungen keine andere Möglichkeit haben. Des Weiteren ist nicht bekannt, wie viele dieser Perso-nen ohne die Option der Aufzeichnungsnutzung trotzdem nicht zur Präsenzveran-staltung gegangen wären. Es kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass die Hörsä-le wegen der Aufzeichnungen leer blieben. Dies wird auch durch mehrere Inter-views mit Lehrenden bestätigt.Einige Lehrende äußerten die Ansicht, dass eher die eigentlich Uninteressierten die Aufzeichnungen nutzten und dafür der Präsenzveranstaltung fernblieben. Dies führe zu dem positiven Effekt, dass es dann in der Vorlesung kaum noch Leute gebe, die Zeitung lesen oder sich mit dem Nachbarn unterhalten. Die Interessierten kämen trotzdem, weil sie die Aufzeichnung nicht als vollwertigen Ersatz ansähen.Mit der Vorstellung von Studierenden, welche die Aufzeichnungen mit Popcorn auf dem Sofa verzehren, ist auch die Befürchtung verbunden, die Nutzung von Aufzeichnungen könnte allgemein einer Konsumhaltung der Studierenden Vor-schub leisten – der Erwartung, der Lehrstoff werde mundgerecht serviert und kön-ne ohne eigene Anstrengung assimiliert werden, so dass eine eigene Auseinander-setzung mit dem Stoff als Zumutung empfunden werde. Für diese Annahme gibt es jedoch in den Interviews mit Lehrenden, die schon Aufzeichnungen gemacht haben, keine Bestätigung. Eine andere Befürchtung im Vorfeld ist die, dass die veränderte Vorbereitung der Lehrenden zu höherer Arbeitsbelastung führen könnte. Dies mag während der anfänglichen Anpassung der Fall sein, wird jedoch von Lehrenden mit Aufzeichnungs-Erfahrung nicht als bleibendes Problem bestätigt.Was wird nun durch die Aufzeichnung tatsächlich anders? Von mehreren Leh-renden wurde als Nachteil angemerkt, dass sie auflockernde Elemente wie Anekdo-ten und Scherze nun weglassen würden, weil externe Zuschauer diese als Ab-schweifung wahrnehmen könnten. Ein anderes mehrfach genanntes Problem ist die Einschränkung des Bewegungsraums (ähnlich auch bei Rust & Krüger, 2011, S. 236) und die fehlende Möglichkeit, die Kreide-Tafel zu benutzen, weil diese nicht ad-äquat aufgezeichnet werden kann. Hinsichtlich aller Veränderungen durch die Auf-zeichnung gibt es aber offenbar einen Gewöhnungseffekt, so dass diese mit der Zeit zu einem kaum noch wahrgenommenen Hintergrundphänomen wird.1.3. Vorstellungen über möglichen Missbrauch des Materials Eine ebenfalls häufige Befürchtung ist die des Kontrollverlusts – dergestalt, dass das Material einen Weg zu unerwünschten Zuschauern finden könnte. Als Konsequenz eines solchen Kontrollverlusts äußerten einige Lehrende auch die Befürchtung, dass eine ungünstige Präsentation in der Aufzeichnung für sie zu konkreten Nachteilen führen könnte, z. B. bei einer späteren Bewerbung. Wer dann tatsächlich aufzeich-nen lässt, ist mit einer begrenzten, an den Lehrkontext gebundenen Bereitstellung des Materials einverstanden, da sie Voraussetzung zur Nutzung durch die Studie-