Weihnachten und das Weihnachtslied waren in den 1980er Jahren eine feste Größe bei
Alles singt. Ab 1986 wurde die Sendung jeweils am 24.12. abends ausgestrahlt, doch
verlief Weihnachten nicht konfliktfrei. Die Redaktion wollte eine Weihnachtsausgabe, das
politische Kontrollorgan (Staat, Partei) wegen der großen Resonanz eigentlich auch,
war aber angesichts der Trennung von Staat und Kirche auch wieder dagegen,
sollte doch das Fernsehen ein konsequent atheistisches Weltbild vermitteln,
und das war mit Weihnachten etwas schwierig. So durften beispielsweise bei
einer Alles singt-Produktion Mitte der achtziger Jahre kein Christbaum und
Weihnachtsschmuck erscheinen, wurden dann aber doch in letzter Minute noch ins Bild
montiert. Ähnlich problematisch war es mit den geistlichen Liedern. So hieß die
Sendung von 1984 im Untertitel Alles singt mit Peter Schreier, denn einem so
renommierten Sänger wagte niemand vorzuschreiben, was er singen oder nicht singen
dürfe. So erklangen nur drei geistliche Weihnachtslieder: Vom Himmel hoch, Es
ist ein Ros entsprungen und Kommet, ihr Hirten, letzteres verschämt nur als
chorische Vokalise. Statt dessen wurden zahlreiche jüngere Lieder gesungen:
Fröhliche Weihnacht überall, Bald nun ist Weihnachtszeit (das einzige Lied
aus der NS-Zeit, das in der DDR Bestand hatte), Morgen, Kinder, wird’s was
geben, daneben erzgebirgische Mundartlieder und in der DDR entstandene, sehr
populär gewordene Weihnachtslieder, z. B.: Sind die Lichter angezündet (Hans
Sandig), Tausend Sterne sind ein Dom (Siegfried Köhler) oder Vorfreude, schönste
Freude (Hans Naumilkat). Außerdem hatte die Redaktion zu dem Trick gegriffen,
Weihnachtslieder aus anderen europäischen Ländern – aus Ungarn, Frankreich,
Schweden, Russland und Tschechien – zu bringen. Dafür wurden populäre ausländische
Schlagersänger/innen eingekauft: u. a. Wenke Myhre und Karel Gott. Am Ende der
1980er Jahre entkrampfte sich das mediale Verhältnis zu Weihnachten. Trotzdem
blieben die geistlichen Lieder in der Minderzahl. Diese mussten denn auch häufig
auswärtige Chöre singen, meist der Poznaner Knabenchor oder die Szczeciner
Nachtigallen (aus dem katholischen »Bruderland« Polen). Bei allen von mir
protokollierten vier Weihnachtssendungen (am 22.10.1984 und jeweils am 24.12.
der Jahre 1986/87/88) erklangen Sing und jubiliere Weihnachtsnachtigall und
Fröhliche Weihnacht überall, dreimal immerhin Es ist ein Ros entsprungen, Süßer
die Glocken, Leise rieselt der Schnee und Am Weihnachtsbaume die Lichter
brennen.
Die Studiosendung aus Leipzig lebte – außer vom Lied – stark vom Bild. Die singenden Chöre auf der Bühne bzw. im Rund des Studios allein hätten schwerlich ein positives visuell-auditives Gesamterlebnis hervorgerufen. Das Einblenden von Landschafts- und Naturaufnahmen, die aufwendig hergestellt worden waren, sorgten für die nötige optische Abwechslung. Natürlich bot das Fernsehbild nur intakte Natur, beschauliche Dörfer, keine zerfallenden Innenstädte und auch keine gestressten, entnervten Menschen. Wurde beispielsweise über Urlaub und Sommer berichtet, waren die FDGB- oder Betriebsferienheime in den schönsten Gegenden der DDR bei Sonnenschein und zufriedene Menschen zu sehen. Von anderen Reisewünschen kündeten weder Lied noch Wort. Ab 1987 verließ Alles singt für mehrere Produktionen das Studio, z. B. wurde am 18.06.1989 vom Marktplatz in Zittau eine Sendung live übertragen oder vor dem neu entstandenen gigantomanischen Berliner Ernst-Thälmann-Denkmal im gleichnamigen |