- 133 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Weihnachten und das Weihnachtslied waren in den 1980er Jahren eine feste Größe bei Alles singt. Ab 1986 wurde die Sendung jeweils am 24.12. abends ausgestrahlt, doch verlief Weihnachten nicht konfliktfrei. Die Redaktion wollte eine Weihnachtsausgabe, das politische Kontrollorgan (Staat, Partei) wegen der großen Resonanz eigentlich auch, war aber angesichts der Trennung von Staat und Kirche auch wieder dagegen, sollte doch das Fernsehen ein konsequent atheistisches Weltbild vermitteln, und das war mit Weihnachten etwas schwierig. So durften beispielsweise bei einer Alles singt-Produktion Mitte der achtziger Jahre kein Christbaum und Weihnachtsschmuck erscheinen, wurden dann aber doch in letzter Minute noch ins Bild montiert. Ähnlich problematisch war es mit den geistlichen Liedern. So hieß die Sendung von 1984 im Untertitel Alles singt mit Peter Schreier, denn einem so renommierten Sänger wagte niemand vorzuschreiben, was er singen oder nicht singen dürfe. So erklangen nur drei geistliche Weihnachtslieder: Vom Himmel hoch, Es ist ein Ros entsprungen und Kommet, ihr Hirten, letzteres verschämt nur als chorische Vokalise. Statt dessen wurden zahlreiche jüngere Lieder gesungen: Fröhliche Weihnacht überall, Bald nun ist Weihnachtszeit (das einzige Lied aus der NS-Zeit, das in der DDR Bestand hatte), Morgen, Kinder, wird’s was geben, daneben erzgebirgische Mundartlieder und in der DDR entstandene, sehr populär gewordene Weihnachtslieder, z. B.: Sind die Lichter angezündet (Hans Sandig), Tausend Sterne sind ein Dom (Siegfried Köhler) oder Vorfreude, schönste Freude (Hans Naumilkat). Außerdem hatte die Redaktion zu dem Trick gegriffen, Weihnachtslieder aus anderen europäischen Ländern – aus Ungarn, Frankreich, Schweden, Russland und Tschechien – zu bringen. Dafür wurden populäre ausländische Schlagersänger/innen eingekauft: u. a. Wenke Myhre und Karel Gott. Am Ende der 1980er Jahre entkrampfte sich das mediale Verhältnis zu Weihnachten. Trotzdem blieben die geistlichen Lieder in der Minderzahl. Diese mussten denn auch häufig auswärtige Chöre singen, meist der Poznaner Knabenchor oder die Szczeciner Nachtigallen (aus dem katholischen »Bruderland« Polen). Bei allen von mir protokollierten vier Weihnachtssendungen (am 22.10.1984 und jeweils am 24.12. der Jahre 1986/87/88) erklangen Sing und jubiliere Weihnachtsnachtigall und Fröhliche Weihnacht überall, dreimal immerhin Es ist ein Ros entsprungen, Süßer die Glocken, Leise rieselt der Schnee und Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen.

Die Studiosendung aus Leipzig lebte – außer vom Lied – stark vom Bild. Die singenden Chöre auf der Bühne bzw. im Rund des Studios allein hätten schwerlich ein positives visuell-auditives Gesamterlebnis hervorgerufen. Das Einblenden von Landschafts- und Naturaufnahmen, die aufwendig hergestellt worden waren, sorgten für die nötige optische Abwechslung. Natürlich bot das Fernsehbild nur intakte Natur, beschauliche Dörfer, keine zerfallenden Innenstädte und auch keine gestressten, entnervten Menschen. Wurde beispielsweise über Urlaub und Sommer berichtet, waren die FDGB- oder Betriebsferienheime in den schönsten Gegenden der DDR bei Sonnenschein und zufriedene Menschen zu sehen. Von anderen Reisewünschen kündeten weder Lied noch Wort.

Ab 1987 verließ Alles singt für mehrere Produktionen das Studio, z. B. wurde am 18.06.1989 vom Marktplatz in Zittau eine Sendung live übertragen oder vor dem neu entstandenen gigantomanischen Berliner Ernst-Thälmann-Denkmal im gleichnamigen


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