- 19 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Bildgehalte der Texte. Folgt man der These, nach der die Melodik zwischenmenschliche Beziehungen repräsentieren kann – Zuwendung und Abkehr zwischen Personen –, so sind die Lieder Brunhilde Sonntags reich an bewußt-unbewußten Kommunikationsformen.

Oft werden Musik und Text als komplentäre Formgestalten behandelt – etwa in den 1991 entstandenen Fünf Liedern nach japanischen Gedichten für Sopran und Gitarre. Die ersten beiden Gedichte lauten: »O, dieser Frühling!/ Der seine Drachen steigen ließ/ kam nicht mehr« und »Ein Wandermönch/ im Nebel versinkend –/ des Glöckchens Tönen«. (Klangbeispiel 4: Fünf Lieder nach japanischen Gedichten, Lied 1 und 2)

Für das Verständnis ihres Werks bedeutsam ist das christliche und soziale Engagement in den Kompositionen Brunhilde Sonntags. Aber ich sage Euch: Liebet Eure Feinde, Komposition für den Frieden lautet der Titel einer 1983 entstandenen Kantate für Chor, Sprecher und Orgel nach Texten von Martin Luther King, Jochen Klepper, Christian Morgenstern, Lothar Zenetti und Alfonso Pereira. Das Vorwort zur 1988 im Furore Verlag in Kassel erschienen Partitur erinnert an die Notwendigkeit des friedlichen Miteinanders in einer Welt des Terrors und der Kriege. Im Christentum wurzelt die Aufforderung zur Liebe und zum Frieden. In der Kantate verwendet sie Anklänge an gregorianischen Choral und Antiphon. Das Bewußtwerden von Form und Tradition und das Streben nach Harmonie steht für den Willen zum Frieden.

»Allen Kindern, die Opfer von Krieg und Gewalt wurden«, ist das dreisätzige dritte Streichquartett von 1993 gewidmet. Sein Ausdruckscharakter ist von beunruhigender Expressivität. Auch hier vermeidet Brunhilde Sonntag dennoch bewußt die offene, fragmentarische Form. Klangsinnliche Dramatik und signalartig aufsteigende Figuren in den einleitenden Takten bilden ein Gegengewicht zum »Choral« des zweiten Satzes. Dessen erste Fassung bringt im ruhigen Zeitmaß Trauer und Hoffnung zum Ausdruck. Die zweite Fassung öffnet die knappe Form für expressivere Momente. Der dritte Formteil vereinigt strenge, imitatorische Satzstrukturen mit lyrischen Zwischenspielen und endet in ›aggressiv‹ zu spielenden, imitatorisch einsetzenden und melodisch aufsteigenden Signalfiguren, die zur persönlichen Stellungnahme auffordern.

Die vorliegende Skizze zeigt nur einige Stationen und Entwicklungslinien im Leben und Werk Brunhilde Sonntags. Die kulturpolitische und pädagogische Arbeit bleiben außen vor. Eine ausführlichere Darstellung würde die Untrennbarkeit ihres wissenschaftlichen, politischen und pädagogischen Engagements verdeutlichen. Ihre Arbeit als Hochschullehrerin ist davon nicht zu trennen. Am Ende einer Analyse ihres zweiten Streichquartetts nach Holzobjekten von Valeria Sass von 1991 heißt es: »Psychologisch betrachtet entspringt die Absicht, ein Objekt zum Gegenstand musikalischer Komposition


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