Die Musik zum ersten Bild der Glücklichen Hand opus 18 spricht für die Ruhelosigkeit und Angst des Mannes. Elemente des Alptraums fließen in das Fabeltier ein, das in seinen Nacken verbissen als Mischwesen aus Katze, Hyäne und Fledermaus beschrieben wird und mit einem Felsen identisch ist, der den Mann am Ende des dritten Bildes im Traum erschlägt: ein Produkt der Traumverdichtung und semantischer Verschiebungen. Dem Mann sitzt eigentlich die Angst im Nacken. Er erhebt sich am Ende des ersten Bildes "mit einem kraftvollen Ruck". In Triolen aufsteigende Bläserfiguren kennzeichnen den Impuls zur Bewegung als ängstlich (Vgl. Regieanweisung im nachfolgenden Notenbeispiel). Die musikalische Begleitung der Bewegung des Aufrichtens deutet als Fluchtsignal auf die Ambivalenz seiner Allmacht- und Angstgefühle und damit auf den Kern seiner seelischen Problematik. Der von Dissonanzen bestimmte Akkord der Musik hinter der Szene bestätigt in Takt 28 die erhöhte körperliche und seelische Spannung. Die Kantilene der Celli schafft den Spannungsausgleich zur Ruhe (Beispiel S. 60).
Die Schlußpassage des ersten Bildes führt vom Erwachen des Mannes zur Traumerinnerung. Das Traumhafte des zweiten und dritten Bildes kommt in der Zentrierung der dramatischen Anlage auf den Mann zum Ausdruck. Sie ist mit der dem Traume im Verständnis Sigmund Freuds eigenen Ausschließlichkeit auf den Träumenden ausgerichtet. Die Emotionen und Affekte des Mannes sind Gegenstand seiner Traumerinnerungen. Die Traumzensur beeinflußt die Komposition der Bewegungen und der Musik. Im zweiten Bild (Takt 47 f.) geht der Becher zum Einsatz der Trompetenstimme aus der rechten Hand der Frau in die des Mannes über, "ohne daß sich einer von beiden vom Platz gerührt, ohne daß der Mann sich nach ihr umgesehen hat ..."(Schönberg, Die glückliche Hand 11-12). Die Übergabe des Bechers fällt der Traumverdichtung zum Opfer. Der Klang der Trompete löst hier wie in weiteren Werken Schönbergs Vorgänge im Unbewußten aus.
3.5 Bühnenlandschaft und Handlung
Aus Anlaß der geplanten Verfilmung des Dramas mit Musik opus 18 schreibt Arnold Schönberg vermutlich im Herbst 1913 in Berlin an Emil Hertzka:
Mein wichtigster Wunsch ist also hier das Gegenteil von dem, was das Kino anstrebt. Ich will
Höchste Unwirklichkeit!
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