- 29 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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rhythmischen Struktur ihrer Fortbewegung als unsicheres Schwanken und als Taumeln.

In Schönbergs Bewegungsbegleitung sind Melodie und räumliche Bewegungsrichtung keineswegs zufällig verbunden. Wie in der Sprachmelodie bezeichnet die aufwärtsgerichtete melodische Linie Suche, Frage und Zuwendung, die abwärtsgerichtete Abkehr von einem wirklichen oder gedachten Gegenüber. Die Stimmen im Neunachteltakt begleiten ein ruhelos nach einem Ausweg suchendes Gehen im Labyrinth des nächtlichen Waldes.

     Im langsamen Dreivierteltakt verharren die übrigen Stimmen, zweite und dritte Klarinetten in A, Kontrafagott, Harfe und Bratschen mit Dämpfer. Staccatopassagen und Pausen durchdringen die von Takt 30 bis 32 wiederkehrende rhythmische Struktur und widersetzen sich der Absicht der Frau zu mutiger und entschlossener Fortbewegung. Die Stimmen sind paarweise in Gegenbewegung geführt. Der strenge Kontrapunkt bringt die Determination der die Gehbewegung bestimmenden unbewußten Anteile der Befindlichkeit und Person der Frau zum Ausdruck. Ihr Entschluß zur Zuwendung zum Unheimlichen und Bedrohlichen des Waldes steht in einem hörbaren und in der Partitur sichtbaren Gegensatz zu ihrer ängstlichen Erwartung. Die Analyse der Intervallstruktur der Takte 30 bis 35 bietet eine Deutung des scheinbaren Widerspruchs innerhalb der rhythmischen Struktur des Satzes.

     Ausgangs- und Zentralgestalt der Intervalle in der Stimmführung ist eine in Takt 29 zu den Worten "Ich allein.." gesungene Intervallfolge, aus kleiner Terz abwärts (terz) und entgegengesetzter kleiner Sekunde aufwärts (sek): c-a-b. (Im folgenden sind große und kleine Intervalle durch Groß- bzw. Kleinschreibung sowie die melodische Aufwärts- bzw. Abwärtsbewegung durch Pfeile gekennzeichnet). Die weitere Singstimme ist, mit Ausnahme der Folge a-b-b-as in Takt 31, bis in Takt 32 hinein aus miteinander verschränkten, oft durch enharmonische Verwechslungen verdeckte Sekund-Terz-Gestalten in gegensätzlicher Bewegungsrichtung und ihren melodischen Spiegelformen gebildet.      


Zum Text "in den dumpfen Schatten" die Tonfolge g-es-e-cis-d-h:


     TERZ     -  PRIM,  g-es-e, verschränkt mit:    


     Ü.PRIM - terz,  es-e-cis, verschränkt mit:


     terz         - sek,   e-cis-d, verschränkt mit:


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