- 174 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Der dritte Teil von Hölderlins Hymnus spricht von den Leiden des Königs Ödipus. Zum ersten Mal tritt ein Ich-Subjekt in Erscheinung. Der letzte Satz tröstet über die Angst vorm Tode hinweg.


Wenn einer in den Spiegel siehet, ein Mann, und siehet darinn sein Bild wie abgemalt; es gleicht dem Manne. Augen hat des Menschen Bild, hingegen Licht der Mond. Der König Oedipus hat ein Auge zuviel vielleicht. Diese Leiden dieses Mannes, sie scheinen unbeschreiblich, unaussprechlich, unausdrücklich. Wenn das Schauspiel ein solches darstellt, kommts daher. Wie aber ist mir, gedenk ich deiner jetzt? Wie Bäche reißt das Ende von Etwas mich dahin, welches sich wie Asien ausdehnt (...). Die Leiden scheinen so, die Oedipus getragen, als wie ein armer Mann klagt, daß ihm etwas fehle. Sohn Laios, armer Fremdling in Griechenland! Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben.

(Hölderlin, Sämtliche Werke 2, 373-374)


In Henzes Vertonung wird der gestische Charakter der Zuflucht aus Angst offenbar. Die Gitarrenbegleitung beginnt mit melodisch aufwärtsgerichteten Arpeggien (Beispiel S. 176). Mit ihnen wendet das Subjekt sich dem Gedanken ans Ende zu, statt sich ihm zu verschließen. Die Zuwendung zum Spiegelbild bringt die Zuflucht zum Sein im Sinne Heideggers zum Ausdruck. Ihr entspricht die spontan und vorbehaltlos der Aufforderung: Siehe hin! folgende Geste. Friedrich Hölderlins Textfragmente thematisieren die Zuflucht zum Sein in der Vereinzelung. In der Zuwendung zum Spiegelbild begegnet die Frage nach der Identität des Selbst. Das menschliche Gesicht wird sich als eines Fremden gewahr. Aus der Fremdheit des allzu Bekannten entsteht die Empfindung des Unheimlichen. So erkennt das Subjekt seine Identität mit der Gestalt des Königs Ödipus: "Wie aber ist mir, gedenk ich deiner jetzt?". Der Text spricht von der "Befindlichkeit" in einem bedrohlichen Sinne. Befindlichkeit macht nach Heidegger offenbar, "wie einem ist. In der Angst ist einem unheimlich" (Heidegger, Sein und Zeit 188).


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