- 159 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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1.    Ambivalenz der Angst


1.1 Flucht und Zuflucht in fundamentalontologischer Sicht


In Anlehnung an Sören Kierkegaards Schrift Der Begriff der Angst unterscheidet Martin Heidegger in der Analyse der Angst in Paragraph 40 von Sein und Zeit Angst und Furcht. Die Ursache der Furcht ist eine "innerweltliche" aus der Nähe des sich Fürchtenden, ein "abträgliches Seiendes, das ausbleiben kann" (185). Die Angst indessen kennt keinen Gegenstand in der Welt. Das "Wovor" der Angst ist das "In-der-Welt-Sein". Die "Welt" versinkt dem sich Ängstigenden zur Bedeutungslosigkeit. Das Nichts in ihr begegnet als Bedrohung. Das Drohende kommt nicht erst, es ist schon da: Das Sein ängstigt. "Wenn die Angst sich gelegt hat, dann pflegt die alltägliche Rede zu sagen: es war eigentlich nichts. Diese Rede trifft in der Tat ontisch das, was es war" (Heidegger, Sein und Zeit 187).

     Dennoch ist der Furcht wie der Angst die Flucht eigen. Wohin aber flüchtet der sich vor der Zeit Ängstigende, da seine Angst kein Gegenüber kennt und ihren Ursprung im "hier und nirgends" hat? Heidegger geht von einer entgegengesetzten Richtung der Flucht aus Angst und aus Furcht aus. Während die Flucht aus Furcht fort vom Bedrohlichen des Seins der Vertrautheit des Alltäglichen zustrebt, sucht die Flucht aus Angst aus dem "Verfallensein" gegenüber "Welt" und "Man" den Weg zurück zum "Sein". Heidegger spricht von der Zuflucht aus Angst als der Hinwendung im Gegensatz zur Flucht aus Furcht als einer Abkehr vom "Sein". Die Angst erschließt zugleich die Möglichkeit der Freiheit. Doch bleibt das Motiv solcher Zuflucht merkwürdig im Dunkeln. Was bewegt den sich Ängstigenden, Zuflucht in der Vereinzelung und im Sein zu suchen, dessen Unheimlichkeit zugleich ängstigt? Die "Selbigkeit" des "Wovor" und "Worum" der Angst erschwert das Verständnis des Zusammenhangs von Angst und Flucht. In der Angst sind Sein und Zeit zugleich Ursache der Angst und Ziel der Flucht. Diese Selbigkeit zeichnet in Heideggers Verständnis die Angst gegenüber der Vertrautheit des Alltäglichen als die "Grundbefindlichkeit des Daseins" aus. Was berechtigt aber, von der Flucht aus Angst als einer


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