- 151 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Im Anschluß an jene Marcato-Molto-Passage singen Sophie und Hans vom Kammerorchester begleitet, nach Art einer Motette imitatorisch einsetzend und im adagio espressivo: "Gib Licht meinen Augen, oder ich entschlafe des Todes" (U. Zimmermann, Weiße Rose 4-8). Die Taktarten wechseln beständig zwischen Dreiviertel-, Vierviertel- und Fünfvierteltakten. Die erste Szene geht fließend in die zweite über. Zu den Worten "Mein Herz ist wach (nach und nach wie eine Vision)" bestimmen Sechsachtel- und Dreivierteltakte den Satz (Weiße Rose 8-14). Die Szene beginnt im Pianissimo, steigert sehr allmählich und zunächst kaum merklich die Lautstärke. Erst am Ende der Szene erreicht die rhythmische und harmonische Dichte und Komplexität der Satzstruktur ihren Höhepunkt. Wie eine Erinnerung klingt die Coda nach. Von fern wird die von Brunhilde Sonntag als Todesmotiv erkannte Melodie im Sopran hörbar. Die Harfe begleitet als Herzschlag der Sophie ihre Singstimme. Ihr Ostinato imitiert die Melodie der Singstimme der vorhergehenden Szene zum Text "Mein Herz ist wach ..." (Zweite Szene, Takt 10). Der Gesang endet. Die Harfenbegleitung wird leiser und verklingt im Nichts (Beispiel S. 147, Ziffer 20-21).

     Wie aus einem Alptraum erwachend, spricht Hans am Beginn der dritten Szene erst sehr leise, dann fast schreiend laut: "Schießt nicht, ... Schießt nicht!" (U. Zimmermann, Weiße Rose 15). Ein kurzes Zwischenspiel beginnt: Agitato dramatico. Wieder bricht der sich rasch steigernde Satz plötzlich ab. Im ständigen Wechsel zwischen Dreiviertel- und Viervierteltakten singt Hans das Todesmotiv aufgreifend sehr ruhig:


Sie wollte nur ein Stückchen Brot.

Und eine weiße Blume für ihr Haar.

Ihr Arm liegt reglos auf der schwarzen Erde.

Nur ihre Hand, die ausgestreckte Hand.

(wie abwesend) Steh auf und lächle wieder

und lächle ...

(U. Zimmermann, Weiße Rose, Klavierauszug 16-18)


Die Szene endet in einer Art Sprechgesang mit vorgeschriebenem Rhythmus und notierter Tonhöhe nach Art von Arnold Schönbergs Pierrot lunaire:


Der Zug rollt weiter.

Räder rollen weiter.

Schneller, schneller und weiter.

(U. Zimmermann, Weiße Rose, Klavierauszug 18-19)


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