- 124 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Orchestra und ihre Tänze und Reigen sind von überall gleich gut zu sehen. Im Zentrum steht die Thymele, ursprünglich der Dionysos-Altar, um den der Chor im Dithyrambus tanzt. In der Tragödie dient er als Altar, Grabmal, Terrasse und zugleich als Zentrum des Chores. Der Chor besteht ursprünglich aus achtundvierzig Personen, später aus zwölf, seit Sophokles schließlich aus fünfzehn Choreuten.

     Umtanzt der dithyrambische Chor den Altar, so tritt der Chor der Tragödie in einen Wechselgesang mit der Bühne. Bei seinem Einzug singt er die Parados, ein Lied, das sein Eintreten motiviert, dann inmitten der Orchestra bei leerer Bühne die Stasima, die als Ruhe- und Verbindungspunkte zwischen einzelnen Teilen der Handlung fungieren, drittens verschiedene Chorlieder, die "in begeisterten Momenten mit lebhaftem Tanz vorgetragen werden. Dazu kommen innerhalb der Szenen die Wechselgesänge des Chores mit den Personen der Scena, die sogenannten Kommoi, in all denjenigen Momenten, da die Empfindung das Übergewicht erhält; auch sie sind mit Tanzbewegung des Chores und Bewegung der Personen verbunden zu denken" (Burckhardt, Kulturgeschichte Griechenlands 219).



2.7 Tänze in den Soldaten


Von besonderer Bedeutung für den spezifischen Ausdruck der Angst in der Oper Die Soldaten sind Tänze, die bei Lenz nicht vorkommen. Für die vierte Szene des ersten Aktes schreibt Zimmermann den Dreichachteltakt mit der Bezeichnung "quasi tempo di valse" vor. Während Haudy sich über den Wert der Komödie ausläßt, die immerhin amüsiere, wohingegen Eisenhardts Predigten gar nichts bewirkten, tanzen drei junge Offiziere. Der Obrist, Pirzel und der junge Graf beschwichtigen den Feldprediger. Die Musik wechselt taktweise zwischen Dreiachtel- und Dreisechzehntelrhythmen. Der Walzerhythmus wird von einem einzelnen Viervierteltakt unterbrochen, als Haudy sein vernichtendes Urteil spricht: "... eine Hure wird immer eine Hure, sie gerate unter welche Hände sie will ...".

     Zimmermann verwendet den Walzerrhythmus als Klangerinnerung an die Walzerbewegung. Wie in den zuvor untersuchten Opernwerken verbinden sich rhythmische Elemente des Walzers mit einer für eine Jungfrauengestalt lebensbedrohlichen Situation. In ihrer Abwesenheit wird Marie zum Objekt unsinniger Gewalt und anmaßender Machtansprüche. Die Anklänge an den Walzer symbolisieren die Bedrohung, die in den verächtlichen Äußerungen der Soldaten zum Ausdruck kommen. Glocken und Vibraphon heben zu Beginn die zentrale Stellung der fünfzehntaktigen Walzerepisode hervor. Blechbläser (Trompeten, Hörner und Posaunen) unterstreichen das Be-


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