- 101 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Alois Zimmermann sich am 10. August 1970 in seinem Haus in Groß-Königsdorf das Leben (Konold, Bernd Alois Zimmermann 20).

     In einem Aufsatz mit dem Titel "Zimmermann und der Kranich" unternimmt Wilfried Gruhn 1986 den Versuch, Bernd Alois Zimmermanns Kompositionsverständnis in Beziehung zu Auffassungen der musikalischen Avantgarde der fünfziger und frühen sechziger Jahre zu setzen, die aus der historischen Perspektive betrachtet von denjenigen Komponisten und Musiktheoretikern geprägt werden, die ab 1946 an den alljährlich stattfindenden, von Wolfgang Steinecke geleiteten Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teilnehmen. Auf Schloß Kranichstein werden bis Mitte der fünfziger Jahre die von Bartók, Strawinsky, Schönberg und Webern vorangetriebenen und von den Nationalsozialisten unterbrochenen musikalischen Entwicklungen der zwanziger und dreißiger Jahre aufgearbeitet und weitergeführt. Durch die Vorträge Theodor Wiesengrund Adornos tritt mit Beginn der fünfziger Jahre die von Webern weiterentwickelte Zwölftonkompositionsweise Arnold Schönbergs in den Mittelpunkt der Diskussionen und Gespräche. Eine Einordnung Bernd Alois Zimmermanns in das musikhistorische Begriffschema "Zwölftontechnik - Serielle Musik - Zufallsformen (Aleatorik)" erweist sich als ausgesprochen schwierig. Im Verlaufe der fünfziger Jahre greift Zimmermann nahezu alle verfügbaren kompositorischen Techniken auf und verwendet sie dem eigenen musikalischen Ausdrucks- und Formbedürfnis entsprechend. Im Verlaufe der fünfziger Jahre führt ihn die Vorstellung von der "Kugelgestalt der Zeit" zur Schichtung heterogener musikalischer Stilkomponenten. Sein pluralistisches Kompositionsverständnis bringt ihn in Opposition zu den von Stockhausen, Boulez und anderen verfochtenen strukturalistisch-seriellen und aleatorischen Kompositionsweisen.

     Im selben Jahr (1956) reflektieren Bernd Alois Zimmermann und Karlheinz Stockhausen ihr musikalisches Zeitverständnis: Stockhausen in dem Aufsatz "... wie die Zeit vergeht ...", Zimmermann in "Intervall und Zeit". Beide gehen von der bereits bei Schönberg zu findenden Vorstellung von der Gleichberechtigung nacheinander und gleichzeitig erklingender Töne aus. Beide reflektieren das Verhältnis von Intervall und Zeit. Stockhausens physikalischen Überlegungen stehen Zimmermanns philosophische Reflexionen gegenüber, die er aus seiner Beschäftigung mit den Zeittheorien Edmund Husserls, Henri Bergsons und anderer gewinnt. Auf den Kreis der Darmstädter Kursteilnehmer nehmen Stockhausens musiktheoretische Überlegungen und Werke größeren Einfluß. 1957 bringt Stockhausen das formal mehrdeutige und durch Zufallsoperationen geprägte Klavierstück XI zur Aufführung. In den folgenden Jahren rückt Stockhausen zunehmend in den Mittelpunkt der Ferienkurse. Die Aufführung von Zimmermanns Ballett Présence (1961) gerät zum Desaster (Vgl. Gruhn,


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