4. Die Konzeption der empirischen Studie
»Wenn [...] die Beobachtung richtig ist, daß ein gut Teil der
emotionalen Reaktionen im Umgang mit Computern aus den
objektiven, technisch-elektronischen Sachverhalten gar nicht zu
erklären ist, dann genügt es nicht, danach zu fragen, was wir alles
mit dem Computer tun können, sondern wir müssen auch fragen,
wie wir dieses Tun erleben und warum das so ist.«
Niels Knolle (1993,
385)
Dieses Kapitel beschreibt das Design des empirischen Teils dieser Arbeit. In einem ersten
Abschnitt (4.1) wird die Entwicklung der Fragestellung aus den bisher geschilderten
technischen Zusammenhängen erläutert. Der zweite Abschnitt (4.2) zeigt, welche
Methoden der Gewinnung und Aufarbeitung des empirischen Materials zugrunde liegen,
warum sie gewählt und wie sie umgesetzt wurden.
4.1. Entwicklung der Fragestellung
In den drei vorausgehenden Kapiteln wurden technische und künstlerische Besonderheiten
mehrspuriger Aufnahmeverfahren sowie ihre Adaption in modernen MIDI- und
Audio-Programmen dargestellt. Es wurde also der »materielle Möglichkeitenraum«
(Bergold/Breuer 1987), beschrieben, in dem sich die musikalische Betätigung mit
PC-Technologie abspielt.
Aus der Kenntnis dieser materiellen Ebene allein lässt sich aber nur begrenzt ableiten,
in welcher Form die technischen Möglichkeiten tatsächlich genutzt und in individuelle
musikalische Schaffensprozesse integriert werden. Diskrepanzen zwischen dem technisch
Machbaren und der praktischen Anwendung gehören gerade im Bereich elektronischer
Musiktechnologie zur Tagesordnung. So wurden die vielfältigen Möglichkeiten zur
Schaffung individueller Klangeinstellungen bei der ersten Generation digitaler
Synthesizer zur Verwunderung ihrer Hersteller kaum genutzt. Stattdessen etablierte sich
die Gewohnheit, auf vorgefertigte Preset-Sounds zurückzugreifen, was einer neu
entstehenden Sub-Industrie den Weg ebnete (Chadabe 1997; Théberge 1997, 75ff). Dass
auch die immer umfangreicher werdenden Möglichkeiten neuer Musiksoftware mitunter
nur eingeschränkt eingesetzt werden, lässt die Studie von Olk (2000) vermuten.
Andererseits ist der Umgang mit Musiktechnologie seit jeher auch von unorthodoxen
Gebrauchsweisen geprägt, die von der Verwendung scheinbar veralteter Technik bis hin
zur gezielten »Fehlbedienung« (Wilson 1997) gehen können. Wie Wilson aufzeigt,
manifestiert sich
wahre Kreativität [...] allzu oft nicht im »korrekten«,
bedienungsanleitungs-konformen Gebrauch der technischen Mittel, sondern
in ihrer subversiven
Aneignung, ihrer spielerischen Fehl-Bedienung: Kreativität als De- und
Re-Konstruktion statt als orthodoxe »Benutzung« von Medientechnologie
(ebd., 96).
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