EIN PLÄDOYER FÜR DAS LEHREN VON MUSIK
ALS EINE SPRACHE UND EINE LITERATUR.
VON
STEWART MACPHERSON
[Juni 1908]
[1] In einer Zeit, in der der Leistungsstandard der musikalischen Darbietung sprunghaft angestiegen ist und in der unsere jüngeren Künstler täglich Meisterleistungen der Vortragskunst vorführen, die früher nur von den wenigen Ausnahmen zustandegebracht wurden, ist es irgendwie wichtig, sich über die Situation klar zu werden und zu überlegen, ob all diese bemerkenswerte und willkommene technische Vervollkommnung im heutigen Spiel alles ist, was man an künstlerischem Fortschritt sehen möchte, insbesondere soweit es die Mehrheit jener berührt, für die Musik nicht notwendigerweise dem Lebensunterhalt dient, sondern einfach ein Element kultureller Allgemeinbildung ist.*
Zunächst will ich, um nicht mißverstanden zu werden, sogleich sagen, daß niemand mit ehrlicherer Bewunderung und Enthusiasmus die große Leistung würdigt, die im
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[1] Im Gegensatz zu der Anordnung bei B. Rainbow, der die beiden Teile des Aufsatzes aus dem R.A.M. Club Magazine (Mai/Oktober 1908) aufeinander folgen läßt, wird hier der Beitrag vom Juni 1908 eingefügt, da sich Macpherson - vielleicht versehentlich - auf eine solche Reihenfolge bezieht.
* Ich brauche wohl kaum sagen, daß ich hier nicht mit einer Geisteshaltung befaßt bin, die die Kunst der Musik als mehr oder weniger harmlose Belustigung oder nur als Form liebenswerter Fertigkeit betrachten.
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